Dentine Hypersensitivität hat für die Betroffenen häufig eine Einschränkung ihrer Lebensqualität zur Folge, denn auslösende Reize gibt es viele, wie Hitze oder Kälte. DH Simone Laumann klärt auf über mögliche Ursachen, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten.
Umgangssprachlich ist die dentine Hypersensivität besser unter dem Begriff empfindliche- oder schmerzempfindliche Zahnhälse bekannt. Dabei muss es nicht nur an den freiliegenden Zahnhälsen liegen, wenn plötzlich ein blitzartiger Schmerz den Zahn durchzieht, auch okklusale Abrasionen können auf Reize empfindlich reagieren. Im Dentin befinden sich die sogenannten Dentintubuli, das sind kleinste Kanälchen, die das Dentin von außen nach innen durchziehen. Reize werden so durch diese Kanälchen zur innenliegenden Pulpa geleitet und lösen dort den typischen Schmerz aus.
Vielfältige Ursachen
Die Pulpa wird im Bereich der Krone vom Zahnschmelz umgeben. Dieser bildet den Schutz vor thermischen, mechanischen oder chemischen Reizen. Wird der Schmelz dünner oder liegt das Dentin komplett frei, kann ein Zahn empfindlich werden. Bei gesunden parodontalen Zuständen liegt das Zahnfleisch ca. 2 mm koronal über der Schmelz-Zement-Grenze. Bei einer Parodontitis-Erkrankung, einer bakteriellen Entzündung des Zahnhalteapparates, baut sich der Alveolar-Knochen ab, das Zahnfleisch schwillt an und die Zahnfleischtaschen werden tiefer. Durch eine erfolgreiche Behandlung und sehr gut durchgeführter Mundhygiene, zieht sich das Zahnfleisch wieder zusammen und die Taschentiefen reduzieren sich. Dadurch verschiebt sich der Verlauf des Zahnfleisches häufig apikal unter die Schmelz-Zement-Grenze und es entsteht ein freier Zahnhals, die Rezession. Patienten sollten deshalb vor einer Parodontitis-Behandlung immer über die Möglichkeiten der Präventionen und Therapien empfindlicher Zahnhälse aufgeklärt werden. Aber auch eine zu aggressive Zahnputztechnik kann zu Rezessionen führen. Wird z. B. mit einer zu harten Zahnbürste zu großer Druck in einer „Schrubb-Technik“ auf Zahn und Zahnfleisch ausgeübt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, sich Rezessionen oder Stillman‘s clefts zuzuführen. Abrasionen entstehen durch mechanische Reize, wie z. B. eine zu aggressive Mundhygiene mit falscher Putztechnik, bei der zu viel Druck ausgeübt wird, denn das fördert den Zahnschmelzabbau. Aber auch Zahnpasten, die einen sehr hohen Anteil an Putz- und Schleifkörpern aufweisen, wie sie sich häufig in vermeintlich „weißmachenden“ Zahnpasten befinden, oder auch nächtliches Zähneknirschen tragen ihren Anteil zum Zahnschmelzverlust bei. Durch den vermehrten Konsum von sauren Lebensmitteln und Getränken sind die Zähne ständigen Säureangriffen ausgeliefert. Obstsäfte, Softdrinks und Sportgetränke weisen häufig einen niedrigen pH-Wert auf, aber auch gewisse Obst- und Gemüsesorten, wie z. B. Äpfel, Orangen, Kiwis und Tomaten gehören zu den säurehaltigen Lebensmitteln. Ebenso begünstigt die Einnahme von Vitamin-C-Präparaten den Abbau des Zahnschmelzes. Endogene Prozesse können ebenso Auswirkungen auf den Schmelz ausüben. Hierbei handelt es sich z. B. um eine Refluxerkrankung oder auch um eine Essstörung (Bulimie), bei der die Zähne einer Säureexposition durch Magensäure ausgesetzt werden. Bei diesen chemischen Prozessen sprechen wir von dentalen Erosionen.
Wodurch entsteht der Schmerz?
Das Auftreten einer dentinen Hypersensitvität lässt sich mittels der hydrodynamischen Theorie erklären. Das bedeutet, dass an den freiliegenden Dentintubuli durch chemische und physikalische Reize ein Flüssigkeitsstrom in Gang gesetzt wird. Durch die Exposition von Dentin kommt es zu einer hydraulischen Verbindung zwischen Pulpa und Zahnoberfläche. Wenn nun thermische, taktile oder chemische Reize zu einem Flüssigkeitsstrom führen, werden Schmerzrezeptoren, sogenannte Nozizeptoren, der Pulpa stimuliert. Selbstredend müssen bei der Diagnosestellung andere Ursachen für die Empfindlichkeiten ausgeschlossen werden. Dazu zählen zum einen Beschwerden, die von der Pulpa ausgehen, wie Karies, defekte Restaurationen, okklusale Traumen, Zahnfrakturen. Auch Entzündungen der Gingiva oder der Kieferhöhlen können Schmerzen verursachen und sollten abgeklärt werden. Am Anfang findet ein Anamnesegespräch mit dem Patienten statt. Berichtet der Patient von kurzen stechenden Schmerzen am Zahn, die im Zusammenhang mit dem Einatmen von kalter Luft oder dem Essen und Trinken von kalten, heißen, sauren oder süßen Lebensmitteln stehen, wird der Zahnarzt/die Zahnärztin zuerst das Gebiss untersuchen. Können andere pathogene Faktoren ausgeschlossen werden, wird mittels eines Luftstroms oder Kältesprays, ein Reiz auf das freiliegende Dentin ausgeübt. Spürt der Patient hierbei einen ziehenden Schmerz, wird von einer dentinen Hypersensitivität ausgegangen. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Bei einer nicht eindeutigen Lage können auch Röntgenbilder angefertigt werden, um einen anderen Schmerzauslöser, wie z. B. Karies, eine Pulpitis oder eine Fraktur auszuschließen.
Wirkstoffe zur Prävention
Da die Empfindlichkeiten in den offenen Dentintubulis entstehen, ist es sinnvoll, diese zu verschließen. Für den häuslichen Gebrauch, zur Prävention, werden eine Vielzahl von Produkten in Form von Zahnpasten und Mundspüllösungen angeboten. Die Wirkstoffe, die hier zum Einsatz kommen, sind z. B. Oxalat, Hydroxylapatit, Arginin in Kombination mit Kalziumcarbonat (Pro Arginin), Kaliumnitrat, Zinnfluorid und Zink Carbonat. Durch das tägliche Zähneputzen oder Spülen, setzen sich die Wirkstoffe in den Dentinkanälchen ab und verhindern so eine Reizübertragung an den Zahnnerven. Zu beachten ist bei den Mundhygienemaßnahmen, dass eine adäquate und schonende Reinigung der Zähne durchgeführt werden muss. Eine weiche Zahnbürste, in Kombination mit einer wenig abrasiven Zahnpasta, sollte das Mittel der Wahl sein, um Zahnputzdefekten vorzubeugen.
Wirkstoffe zur Therapie
Ist der Leidensdruck des Patienten groß, kann eine dreimonatige Kur mit einer rezeptpflichtigen Zahnpasta verschrieben werden. Der Fluoridanteil liegt bei 5.000 ppm Natriumfluorid. Die Anwendung beruht auf den 3Ms, das heißt: drei Monate, dreimal täglich für drei Minuten die Zähne mit der Zahnpasta putzen. In der Zahnarztpraxis werden die überempfindlichen Zähne mit sogenannten Desensitizern behandelt. Lacke mit Inhaltsstoffen wie Polyethylene glycol dimethacrylate und Glutaraldehyd werden auf die betroffenen Stellen aufgetragen. Der gesäuberte Zahn bzw. die Dentinkanälchen werden vor dem Auftragen mit dem Luftstrom der Mehrfunktionsspritze getrocknet, damit die Wirkstoffe des Lackes in diese eindringen können und die Tubuli verschließen. Das Produkt wird für einige Sekunden mit einem Pinsel, Applikator o. ä. aufgetragen. Anschließend wird die Oberfläche mit einem Luftstrom getrocknet und der Patient sollte den Mund mit reichlich Wasser ausspülen. Ebenfalls bewährt hat sich ein hochdosierter Fluoridlack mit 22.600 ppm Natriumfluorid. Die Behandlung mit einem Laser soll die Verschließung oder Verengung der Dentintubuli, wodurch eine Schutzschicht über den Nervenendigungen gebildet wird, bewirken. Ebenfalls scheint die Laserbehandlung die Nervenübertragungsfähigkeit zu verringern und sich somit schmerzstillend auf den Zahnnerv auszuwirken.
Wiederherstellende Maßnahmen
Sollten all diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg und die erhoffte Linderung bringen, sind wiederherstellende Maßnahmen indiziert. Hierbei wird der Zahn minimalinvasiv durch typische Füllungsmaterialien in Adhäsivtechnik rekonstruiert. Eine Überkronung oder gar eine endodontische Behandlung des empfindlichen Zahnes kann indiziert sein, sollte aber vom Zahnarzt/von der Zahnärztin abgeklärt und nur als letzter Schritt in Betracht gezogen werden.
DH Simone Laumann
KEINE KOMMENTARE