Zahnüberempfindlichkeit stellt für die Betroffenen eine große Belastung im Alltag dar, denn der stechende Schmerz tritt bei jedem Kontakt mit kalten, heißen, süßen oder sauren Substanzen auf. Sylvia Fresmann erklärt, wie Dentinüberempfindlichkeit entsteht und wie diese in der Praxis behandelt werden kann.
Zahnüberempfindlichkeit tritt auf, wenn der schützende Zahnschmelz – die äußere Schicht der Zähne – geschwächt oder abgenutzt wird und dadurch das darunterliegende Dentin freigelegt wird oder die Zahnwurzel freiliegt. Das Dentin enthält mikroskopisch kleine Kanäle (Dentintubuli), die zu den Nerven in den Zahnwurzeln führen. Der kurze, stechende oder ziehende Schmerz wird durch thermische, mechanische oder chemische Reize auf dem freiliegenden Dentinoberflächen hervorgerufen. Ganz typisch ist, dass der Schmerz nach Beendigung der Reizeinwirkung sofort abklingt. Patienten aller Altersgruppen klagen über Überempfindlichkeiten der Zähne. Die Prävalenz wird auf 1,3 % bis 92,1 % geschätzt und tritt häufiger bei jungen Erwachsenen auf. Mit zunehmendem Alter nimmt die Prävalenz der Dentinüberempfindlichkeit ab, da das sekundäre und tertiäre Dentin zunimmt, das eine Barriere zur Pulpa bildet. Die Größe der Pulpakammer, die Gefäßversorgung und die Nervenfasern der Pulpa nehmen ab und es kommt zu einer Dentinsklerose (d. h. eine Verkleinerung des Lumens der Dentintubuli infolge der Ablagerung von intratubulärem Dentin).
Symptome von Zahnüberempfindlichkeit
Menschen, die unter Überempfindlichkeiten leiden, erleben meist:
- kurze, stechende Schmerzen bei Kontakt mit kalten, heißen, süßen oder sauren Substanzen
- Beschwerden beim Einatmen kalter Luft oder Berühren der betroffenen Zähne
- in einigen Fällen auch Schmerzen beim Zähneputzen oder beim Verwenden von Zahnseide oder Interdentalbürstchen
Diese Schmerzen sind in der Regel temporär und klingen ab, sobald der auslösende Reiz entfernt wird.
Diagnose
Viele Erkrankungen der Mundhöhle weisen ähnliche Symptome wie eine Dentinüberempfindlichkeit auf. Erkrankungen wie abgebrochene oder gebrochene Zähne, Karies, pathologische Erkrankungen der Pulpa (irreversible Pulpitis), falsche Platzierung von Dentinklebstoffen, traumatische Okklusion oder undichte, gebrochene oder versagende Restaurationen, erfordern völlig andere Behandlungen als eine Dentinüberempfindlichkeit. Für den behandelnden Zahnarzt ist es äußerst wichtig zu verstehen, dass eine Dentinüberempfindlichkeit eine Ausschlussdiagnose ist. Deshalb muss eine gründliche klinische und radiologische Untersuchung durchgeführt werden, um diese Erkrankungen auszuschließen und eine Differentialdiagnose der Dentinüberempfindlichkeit zu stellen. Damit die Diagnose einer Dentinüberempfindlichkeit gestellt werden kann, müssen bestimmte klinische und radiologische Kriterien vorliegen.
Ursachen von Zahnüberempfindlichkeit
Zahnüberempfindlichkeit kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter:
1. Zahnschmelzverlust: Häufiges Zähneknirschen (Bruxismus), zu harte Zahnbürsten oder eine falsche Putztechnik mit einer harten Zahnbürste können zu Abrieb am Zahnschmelz führen.
2. Parodontale Erkrankungen: Entzündungen der Gingiva und des Parodonts führen oft zu Zahnfleischrückgang und freiliegendem Dentin, was die Zähne empfindlicher macht.
3. Säureexposition: Häufiger Konsum von säurehaltigen Lebensmitteln und Getränken (z. B. Fruchtsäfte, Softdrinks) kann zu Erosionen führen und das Dentin freilegen.
4. Zahnaufhellung (Bleaching): Zahnaufhellungsprodukte enthalten oft aggressive Chemikalien, die den Zahnschmelz temporär schwächen und zu Überempfindlichkeit führen können.
5. Zahnfrakturen oder insuffiziente Restaurationen: Spalten der Restaurationen oder abgenutzte Füllungen können das Dentin freilegen und so zur Empfindlichkeit führen.
6. Kieferorthopädische Behandlung: Rezessionen infolge einer kieferorthopädischen Behandlung durch fehlende oder unvollständigen bukkalen Knochen.
Klinische Kriterien
Klinische Befunde, die mit Zahnempfindlichkeit in Zusammenhang stehen können:
- Empfindlichkeit oder Schmerz bei Anwendung eines Reizes (z. B. heiß, kalt, taktil)
- freiliegendes Dentin an der empfindlichen Stelle
- keine Anzeichen von Bruchlinien in der Zahnstruktur
- keine klinischen Anzeichen von Zahnkaries
- Restaurationsränder bündig mit der Zahnstruktur
- Behandlung von Zahnüberempfindlichkeit
Zur Behandlung von Dentinüberempfindlichkeit müssen die Ursachen und Risikofaktoren der Erkrankung identifiziert werden. Wenn die Ursache für die Schmerzen oder Beschwerden eines einzelnen Patienten nicht behoben wird, kann dies zu einer unzureichenden und/oder unnötigen Therapie führen. Nachdem die Ursache festgestellt wurde, muss der Patient über Verhaltensweisen aufgeklärt werden, die die Symptome einer Dentinüberempfindlichkeit verschlimmern.
Behandlungsmöglichkeiten
Glücklicherweise gibt es zahlreiche Behandlungen, die die Empfindlichkeit der Zähne lindern können:
- desensibilisierende Zahnpasten: Spezielle Zahnpasten für empfindliche Zähne enthalten Wirkstoffe wie Arginin und Kalziumkarbonat, Kaliumnitrat oder Strontiumchlorid, die die Nerven blockieren oder die Dentintubuli verschließen, wodurch die Empfindlichkeit reduziert wird.
- Fluorid-Produkte: Sinnvoll können auch hochdosierte fluoridhaltige Gele, Lösungen und Lacke mit Natriumfluorid, Zinnfluorid, Natriummonofluorphoshat und Aminfluoriden oder eine Kombination aus den unterschiedlichen Fluoriden sein. Sie verstärken den Remineralisationsprozess und können auf der Oberfläche einen Verschluss der Dentinkanälchen erreichen. Es wird nur ein temporärer Effekt erreicht, so dass ein mehrmaliges Auftragen notwendig ist.
- Versiegelungen mit Methacrylaten: In Fällen, in denen freiliegendes Dentin besonders problematisch ist, kann eine Versiegelung mit Dentinhaftvermittlern auftragen werden. Durch das Auftragen werden die Dentinkanälchen ganz oder teilweise versiegelt und können über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten zu einer deutlichen Reduktion der Empfindlichkeit führen.
- Parodontalbehandlungen: Bei vestibulärem Attachmentverlust ohne Beteiligung der Approximalbereiche kann eine parodontale chirurgische Behandlung erforderlich sein, um die freiliegenden Zahnwurzeln zu bedecken.
- Laserbehandlung: Die Behandlung von Zahnüberempfindlichkeiten ist ein weiteres Anwendungsgebiet moderner Dentallaser. Durch die Anwendung von Lasern werden die für die Schmerzentstehung verantwortlichen offenen Dentintubuli verschlossen.
Zusammenfassung
Für die genaue Identifizierung einer Dentinüberempfindlichkeit ist die Beurteilung der Ätiologie und der Risikofaktoren von entscheidender Bedeutung. Überempfindliches Dentin weist die folgenden Merkmale auf: Zur Mundhöhle hin offene Dentintubuli, große und zahlreiche Dentintubuli und eine dünne, schlecht verkalkte oder beschädigte Oberfläche. Desensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen müssen in die häusliche Mundhygiene des Patienten integriert werden – lest dazu bitte den nachfolgenden Beitrag. Bei den meisten Personen mit Dentinüberempfindlichkeit können desensibilisierende Zahnpasten, die sie selbst auftragen, helfen. Bleibt die Empfindlichkeit jedoch bestehen, können Dentinhaftvermittler zur Desensibilisierung, Laseranwendungen oder restaurative Eingriffe die Empfindlichkeit schnell und sicher verringern. Zahnärzten und Prohylaxefachkräften kommt bei der Behandlung von Dentinüberempfindlichkeit eine wichtige Rolle zu. Dazu gehört, sich über die neuesten Erkenntnisse und neuen Produkte zu informieren, Behandlungen auszuwählen, die den Bedürfnissen des Patienten entsprechen, und die Patienten über wirksame Mundhygieneprodukte aufzuklären.
Fazit
Zahnüberempfindlichkeit kann für Betroffene eine große Belastung darstellen, doch es gibt viele wirksame Maßnahmen zur Behandlung und Vorbeugung. Mit der richtigen Zahnpflege, desensibilisierenden Produkten und professionellen Behandlungen kann die Empfindlichkeit der Zähne effektiv reduziert werden.
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Sylvia Fresmann, DH B. Sc.
Titelbild: © Adobe Stock – Anh
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