Wenn Menschen von fortschreitendem Gedächtnisverlust betroffen sind, ihr sprachlicher Ausdruck und Orientierungssinn beeinträchtigt und zudem ihr Denk- und Urteilsvermögen vermindert sind, so leiden sie wahrscheinlich an Morbus Alzheimer. Bei der Ursachenforschung steht auch ein PA-Keim im Fokus.
Tatsache ist: Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Form der Demenz. Sie kann bereits um das 65. Lebensjahr auftreten, kommt aber besonders im höheren Lebensalter häufiger vor. Bei über 90-jährigen sind dann etwa 40 bis 50 Prozent betroffen. Aufgrund demographischer Entwicklungen ist dieses Leiden in Deutschland auf dem Weg zur Volkskrankheit – derzeit leben hier 1,7 Millionen Erkrankte[1]. Weltweit wird von 24 Millionen Betroffenen ausgegangen[2]. Morbus Alzheimer führt im Gehirn zu Störungen der Reizübertragung und zur Ablagerung typischer Eiweißplaques. Im Verlauf degenerieren Nervenzellen unwiederbringlich, weshalb man auch von neurodegenerativen Erkrankungen spricht. Die fortschreitenden Persönlichkeitsveränderungen führen für die Patienten selbst, aber auch für ihre Angehörigen, zu erheblichen Belastungen und schließlich zum Tod der Erkrankten.
Mögliche Ursachen
Als Ursachen für die Krankheitsentstehung werden Bluthochdruck und Kreislaufstörungen im Gehirn sowie Schadstoffe in Betracht gezogen – außerdem Faktoren, die zugleich Risikofaktoren der Parodontitis sind: Alter, Diabetes, genetische Veranlagung und Lebensstilfaktoren wie die Ernährung. Ein englisches Team fasste nach Auswertung zahlreicher Studien zusammen, dass die Evidenz für den Zusammenhang noch unzureichend ist, jedoch Demenz beziehungsweise kognitive Beeinträchtigungen und schlechte Mundhygiene wechselseitig Risikofaktoren darstellen[3]. So scheint der eindeutige Nachweis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen kompliziert. Zuletzt hat sich aber der Verdacht auf die Beteiligung von Parodontalkeimen erhärtet. Ein typischer Leitkeim für PAR-Erkrankungen, der beim Gesunden kaum, dafür in der Tiefe chronisch geschädigter Parodontien umso häufiger und zahlreicher vorkommt, ist Porphyromonas gingivalis (P. g.). Forscher haben das Bakterium und seine Neurotoxine im Gehirn verstorbener Alzheimerpatienten zu 70 Prozent und im Speichel zu 100 Prozent nachgewiesen, wobei bei ausgeprägteren Neuronenschäden höhere Konzentrationen vorlagen[4]. Typischerweise gelangen pathogene orale Mikroorganismen über entzündete Zahnfleischtaschen in den Blutkreislauf (Bakteriämie) und auf diesem Weg in den gesamten Organismus. Dies kann bei Vorliegen einer Parodontitis durch Sondieren, die Professionelle Zahnreinigung, Extraktionen und schon beim Kauen oder der Zahnputzroutine passieren. Zwischen der Manifestierung einer chronischen Parodontitis im mittleren Alter und ersten Alzheimersymptomen können viele Jahr(zehnt)e liegen, während denen P. g. im Gehirn entzündliche Vorgänge auslöst und unterhält. So werden fortwährend Hirnzellen zerstört, was schließlich – so wird angenommen – zur Alzheimer-Erkrankung führt. Zeichen von P. g.- Aktivität wurden auch gefunden, wenn Betroffene im Gehirn bereits Alzheimerzeichen, aber noch keine Demenzsymptome aufwiesen. Dies wird als Beleg gewertet, dass die schlechte Mundhygiene keine Folge der Demenz, sondern möglicherweise ein auslösender Faktor war[5].
Mundhygiene in der Pflege
Für betagte Menschen kann die Mundhygiene eine Herausforderung werden. Wegen altersbedingter Risikofaktoren werden dann Spezialkenntnisse und eine professionelle Unterstützung wichtiger. Die Organisation Swedish Care International (SCI) hat es sich auf internationaler Ebene zur Aufgabe gemacht, Ausbildung und Hilfestellung für die Pflege älterer und demenzkranker Menschen zu liefern[6]. Für Angehörige und Pflegende von Demenzkranken hat SCI unterstützende Apps entwickelt. Eine davon – die Memory Box – dient als Gedächtnisstütze und Inspiration für Austausch und Interaktion mit Dementen. Andere enthalten Tipps für den täglichen Umgang miteinander, um das Leben für alle einfacher und angenehmer zu machen (www.sci.se, letzter Zugriff 14.09.23). Unter dem Titel „Gesundheitsförderung und Prävention für Menschen mit Demenz“
(D. Gebhard, E. Mir) wurde übrigens ein Buch vorgelegt, das sich direkt an Gesundheitsberufe richtet[7]. Es ist ermutigend, dass die Alzheimer-Forschung Fortschritte macht, denn möglicherweise könnte das zu neuen Therapien führen. Mit der täglichen, individuell passenden Mundhygiene ist es möglich, die häufigsten oralen Erkrankungen weitgehend zu vermeiden. Zudem kann mit der erfolgreichen Prävention parodontaler Erkrankungen auch ein Risikofaktor für die Entstehung oder Therapie verschiedener Allgemeinerkrankungen reduziert werden – vermutlich auch für Demenz.
Kontakt
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Langenhorner Chaussee 44a
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www.tepe.com/de
Dr. Ralf Seltmann, M.A.
Quellen:
[1] http://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf /factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf (letzter Zugriff 10.03.2020)
[2] Eder C. Neurodegenerative Erkrankungen und Parodontitis. DZW; 41, 2018, S. 11
[3] Daly B et al. Evidence summary: the relationship between oral health and dementia. BrDent J 223, 846–853 (2017)
[4] Dominy SS et al. Porphyromonas gingivalis in Alzheimer‘s disease brains: Evidence or disease causation and treatment with smallmolecule inhibitors. Sci Adv. 2019 Jan 23;5(1):eaau3333. doi: 10.1126/sciadv.aau3333. eCollection 2019 Jan
[5] Zimmer M. Parodontitis könnte Alzheimer begünstigen. ZMK; Jg. 35, 11, 2019, 750–754
[6] https://sci.se/about-sci/ (letzter Zugriff 14.09.23)
[7] Gebhard D, Mir E (Hrsg.). Gesundheitsförderung und Prävention für Menschen mit Demenz. Springer Verlag, 1. Auflage 2019
Großes Bild: Adobe Stock – Atlas
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