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Patienten gekonnt motivieren

Täglich betreuen, instruieren und motivieren wir Patienten in der Praxis. DH Sylvia Fresmann verrät, wie wir mit Hilfe einiger Kommunikationsstrategien noch erfolgreicher dabei sein können.

Wer kennt ihn nicht, den Filmklassiker mit Mel Gibson „Was Frauen wollen“. In diesem Film geht es auf lustige Art und Weise um Kommunikationsprobleme zwischen Mann und Frau, aber auch um Unausgesprochenes, Kommunikation auf Augenhöhe, Wertschätzung und Gemeinsamkeiten. Was das mit der Zahnarztpraxis zu tun hat? Sehr viel: In der Praxis betreuen wir viele Patienten, mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen, Bedürfnissen und auch Ängsten. So ergibt sich die Frage, wie wir unsere Patienten bestmöglich Motivieren und Instruieren können. Wie können wir unsere Patienten „abholen“ und gegebenenfalls zu einem veränderten Mundhygieneverhalten bewegen? Die nachhaltige Veränderung des Gesundheitsverhaltens eines Patienten ist eine der lohnendsten, anspruchsvollsten, aber zugleich auch frustrierendsten Aufgaben für Dentalhygieniker:innen und Praxisteams. Das Verständnis des Zusammenspiels von Motivation und Förderung der Eigenverantwortlichkeit ist der Schlüssel zu langfristiger Mundgesundheit. Wobei wertschätzende Kommunikation nicht nur auf den Patienten anwendbar ist, sondern auch die Kommunikation im Team erleichtern kann.

Motivierende Gesprächsführung
Die motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) ist eine patientenorientierte Form der Beratung, die bewusst auf ein konfrontatives Vorgehen 
(z. B. „drohen“ mit finanziellen Nachteilen: „Das wird teuer“ und gesundheitlichen Folgen: „Dann kann ich ihnen auch nicht helfen, Sie werden Ihre Zähne verlieren!“) verzichtet. Vielmehr ist das Ziel, durch Einsatz spezieller Gesprächstechniken, eine intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung (nachhaltige Mitarbeit) beim Patienten zu erreichen. Diese Gesprächs- bzw. Kommunikationstechnik (William R. Miller, Stephen Rollnick), die ursprünglich aus der Suchtberatung kommt, setzt nicht auf kräftezehrende und häufig erfolglose „Überredungskünste“, sondern auf die innere Motivation des Patienten. Sie versteht sich als ein in sich stimmiger, kontinuierlicher Prozess, der vom gesamten Praxisteam als strategisches Mittel und Instrument zur Verhaltensänderung zu verstehen und einzusetzen ist.
Extrinsische Motivation
Extrinsisch bedeutet von außen angeregt und nicht aus eigenem Antrieb erfolgend. In einer wechselseitigen Form wirken die Umgebung, die Menschen auf eine Person ein und beeinflussen Entscheidungen über Verhaltensänderungen. Die extrinsische Motivation entsteht durch äußere Anreize, wie Belohnungen, Werbung, Social Media, Meinungsbildner oder auch durch Vermeidung von Strafe. Wertschätzung und Lob für die Bemühungen des Patienten können die Motivation verstärken und so zu mehr Mundgesundheit führen. Allerdings wirkt die extrinsische Motivation auf den Patienten nur kurz- bis mittelfristig – langfristige Verhaltensänderungen erreichen wir nur durch eine intrinsische Motivation des Patienten.
Intrinsische Motivation
Das Begriff „intrinsisch“ leitet sich von dem lateinischen Wort „intrinsecus“ ab und bedeutet so viel wie „von innen her“ oder „aus eigenem Antrieb“. Die intrinsische Motivation eines Patienten ist also nichts anderes als der eigene innere Antrieb, der einem Menschen Anlass und Ansporn zum Handeln liefert. Patienten, die die Bedeutung der häuslichen Mundhygiene erkannt und verstanden haben, werden unsere Empfehlungen zum mundgesunden Verhalten dauerhaft umsetzen. Aber wie erreichen wir das, wie wecke bzw. verstärke ich die intrinsische Motivation bei meinen Patienten? Ein Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage kann die motivierende Gesprächsführung (MI) sein.
Die folgenden Strategien unterstützen den Veränderungsprozess:
Strategie 1: offene Fragen
Offene Fragen helfen beim ersten Kennenlernen der Patienten sehr. Im Gegensatz zu geschlossenen Fragen, die nur mit einem „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, fordern offene Fragen den Patienten auf, seine Antwort in einem Satz zu formulieren. So erfahren wir mehr über die bisherigen Erfahrungen, Gewohnheiten und auch was vielleicht nicht so gut geklappt hat. Ziel ist es, dass die Patienten überwiegend reden, während wir aufmerksam zuhören.
Strategie 2: aktives Zuhören und 
Reflektieren
Aktives Zuhören ist eine der wichtigsten und gleichzeitig eine schwierige Maßnahme in der motivierenden Gesprächsführung. Im Allgemeinen bedeutet Zuhören einfach still zu sein, wenigstens für eine Weile und dem Gegenüber zuzuhören. Denn nun kommen in der Regel viele Fragen was die Behandlung betrifft. Viele Patienten haben schon viel erlebt und deshalb auch viele Ängste. Durch einfühlsame Erklärungen, wie die nächsten Arbeitsschritte ablaufen, können wir ihnen die Angst ein wenig nehmen. Während der Behandlung könnte im Behandlungszimmer auch leise beruhigende Musik laufen. Dies sorgt für ein positives Umfeld, denn je entspannter die Patienten sind, desto effektiver können wir arbeiten.
Strategie 3: Bestätigen
Eine positive Bestätigung während der Dentalhygiene-Sitzung ist eine gute Möglichkeit, um ein positives Verhältnis aufzubauen. Dies kann in Form von Anerkennung oder Verständnis vermittelnden Aussagen geschehen.
Strategie 4: Zusammenfassen
Die vierte Methode, die man zu Beginn oder im Verlauf der motivierenden Gesprächsführung einsetzen sollte, ist das Zusammenfassen. Zusammenfassende Aussagen können Gesprächsthemen verbinden und verstärken. Daneben zeigen sie, dass aufmerksam zugehört wurde. Die Patienten sind häufig so ermutigt, offener zu reden.
Strategie 5: Change Talk
Die Sprache beeinflusst unser Denken, Fühlen und Handeln. Das bedeutet für die Beratung des Patienten: Die Art, wie wir Dinge zum Ausdruck bringen, unsere Wortwahl und die Form unserer Fragen sind wesentlich für den Patienten. Es entscheidet darüber, ob der Patient zu neuem Denken findet und zu Veränderungen gelangt. Die wichtigsten Grundsätze des so genannten Change-Talks. Ein Schlüsselelement ist also das Erkennen und Fördern des Veränderungsprozesses beim Patienten, der erkennen lässt, dass sich der Patient bereits mit möglichen Änderungen seines Verhaltens befasst.
Praxisbezogene Vorüberlegungen
Der Schlüssel für eine nachhaltige Motivierung und letztendlich für den Behandlungserfolg liegt in einer kompetenten und individuellen Kommunikation mit dem Patienten, wobei dieser Prozess vielfältige Facetten und Störfaktoren aufweisen kann. Oder humorvoll ausgedrückt: „Das Missverständnis ist der Normalfall in der menschlichen Kommunikation“ (Paul Watzlawik, Kommunikationswissenschaftler). In der Vorbereitung auf die konkrete Beratungssituation sind möglichst umfassend die zur Verfügung stehenden Fakten und Informationen heranzuziehen bzw. zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage kann das Beratungsgespräch individuell geplant und vorbereitet werden.
Grundsätzliche Faktoren
Es ist auch sinnvoll, sich bewusst zu machen, dass es unterschiedliche Patiententypen gibt und jeder Patient seine eigene Geschichte mitbringt.
Grundsätzliche Faktoren, die eine Rolle bei der Kommunikation spielen können:
  • unterschiedliche Altersgruppen
  • unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse, ob bewusst oder unbewusst
  • unterschiedliche Informations- und Wissensstände
  • unterschiedliche kognitive und motorische Fähigkeiten
  • unterschiedliche Erfahrungen, Präferenzen, Vorurteile
  • unterschiedliche soziale und kulturelle Prägungen
„Gute Kommunikation“ wird von Patienten als angenehm empfunden und ist hilfreich bei „schwierigen“ Patienten. Sie bildet Vertrauen, bindet und bringt Patienten und erhöht den Behandlungs- und Praxiserfolg. Zur weiteren Unterstützung verwenden wir auch Hilfsmittel bei der Motivierung unserer Patienten. Mit Intraoralkamera, Spiegel, visualisierten Parodontalbefunden und Mundhygiene-Apps erhöhen wir die Transparenz. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte: Ein Patient muss seine Befunde und die Zusammenhänge verstehen, um langfristig sein Verhalten und seine Gewohnheiten umzustellen.
Fazit
Auf den Punkt gebracht: Akzeptanz und Wertschätzung sind wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung einer intrinsischen Motivation. Beratungsgespräche sind für Prophylaxeprofis das Salz in der Suppe. Mit entsprechender Planung und Motivierender Gesprächsführung stellen professionelle Beratungsgespräche kein Geheimnis mehr dar. Auch wer nicht als kommunikatives Multitalent geboren wurde, kann so vorbereitet Beratungsgespräche zum Erfolg führen.
Sylvia Fresmann, DH B. Sc.
Titelbild: Adobe Stock – Feodora


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