Parodontitis und Diabetes mellitus verbindet eine wechselseitige, negative Beziehung. Allerdings kann sich eine optimale Behandlung der Parodontitis günstig auf die Blutzuckerkontrolle von Diabetes-Patienten auswirken.
Von den chronischen Erkrankungen Parodontitis und Diabetes mellitus Typ 2 sind weltweit immer mehr Menschen betroffen. Allein in Deutschland gibt es 20 Millionen Patienten mit behandlungsbedürftigen Erkrankungen des Zahnhalteapparats, davon zehn Millionen schwere Fälle. Die Statistik zählt sechs Millionen diagnostizierte Diabetiker – doch bei beiden Volkskrankheiten liegt Schätzungen zufolge die Dunkelziffer deutlich höher.
Deshalb sollte auch die Praxismitarbeiterin das Thema Diabetes kennen und mit Begriffen wie dem HbA1c-Wert etwas anfangen können. Gerade zu Beginn der Prophylaxebehandlung sollte der HbA1c-Wert bekannt sein, da er Auskunft über die Blutzuckereinstellung gibt, erklärt Anja Osang, Dentalhygienikerin in einer Dresdner Zahnarztpraxis, die auch regelmäßig Diabetikerschulungen im Bereich Zahn- und Mundhygiene anbietet.
Der HbA1c-Wert gilt zudem als Blutzuckerlangzeitgedächtnis, da er ein Durchschnittswert der letzten 8 bis 10 Wochen ist. Bei gesunden Menschen liegt er zwischen 4,5 und 6,5 Prozent, bei Patienten mit gut eingestelltem Diabetes zwischen 6,5 und 7,0 Prozent und bei schlecht eingestellten Diabetikern über 7,5 Prozent.
Auch Osang weiß, dass es mittlerweile in zahlreichen Studien untersucht wurde, welchen Einfluss eine Parodontitis auf einen Diabetes hat.
Es kommt zu Veränderungen des Zahnfleischs und des Zahnhalteapparats, der parodontale Knochen baut sich bei Diabetikern schneller ab. Zudem stellt die Parodontitis einen verstärkten Risikofaktor für Spätkomplikationen des Diabetes dar. „Für mich ist eine frühzeitige Erkennung einer parodontalen Erkrankung wichtig, um das Gleichgewicht zwischen oraler Mundgesundheit und guter Blutzuckereinstellung zu ermöglichen.“
Parodontaler Befund
Kommt in Osangs Praxis ein Parodontitis‧patient zum regelmäßigen Recall, werden zunächst alle Parameter bezüglich des parodontalen Befundes erhoben. Dazu zählen Plaquekontrolle, Blutungskontrolle und ein PA-Status (6-Punkt-Messung Sondierungstiefe & BOP, Furkationsbefall, Lockerungsgrade, Rezessionen, Attachmentlevel). Hilfreich ist der Dentalhygienikerin dabei die Software ParoStatus.de, mit der sie alle erforderlichen Befunde schnell und einfach erheben kann und die somit der Praxis eine ausführliche und übersichtliche Dokumentation zur Verfügung stellt.
Parostatus.de bietet zudem die Möglichkeit, nach Durchführung eines Glukosetoleranztests in der Zahnarztpraxis den Wert zu dokumentieren. Das Programm errechnet dann, ob der Wert im Normalbereich liegt oder ob der Patient eine Empfehlung zum Diabetologen oder Hausarzt mitbekommt. Osang: „Es ist bekannt, dass es bei Diabetikern zu verstärkten Entzündungsreaktionen kommt und deshalb auch mit einem beschleunigten Plaquewachstum zu rechnen ist.“
Zudem weisen die Patienten häufig trotz guter Mundhygiene entzündetes Zahnfleisch, erhöhte Blutungswerte, Sondierungstiefen und Mundtrockenheit auf. Stellt man also in den Recall-Terminen keine Verbesserungen des parodontalen Befundes fest, sollte die Prophylaxemitarbeiterin gemeinsam mit dem behandelnden Zahnarzt besprechen, ob der Patient eine Überweisung an einen Diabetologen oder den Hausarzt bekommt, damit im Fall einer Erkrankung eine entsprechende Therapie begonnen und somit auch eine Parodontitis erfolgreich behandelt werden kann.
Auch in den Anamnesebogen sollte der Co-Faktor Diabetes aufgenommen werden. „Es sollte nicht nur nach Diabetes ja/nein gefragt werden, sondern zum Beispiel auch, ob der Blutzucker schon einmal getestet wurde“, empfiehlt Osang. Auf jeden Fall sollte bei einer positiven Antwort auf die Diabetes-Frage nach dem HbA1c-Wert und dem behandelnden Arzt gefragt werden. „Eventuell ist die Frage auch sinnvoll, ob ein Mitglied der Verwandtschaft bereits an Diabetes erkrankt ist.“ Wem das nicht ausreicht, für den hat Osang einen weiteren Tipp: „Es gibt einen Fragebogen der Deutschen Diabetes Stiftung, der auch schnell ausgefüllt werden kann und Auskunft über das Diabetesrisiko gibt – der FINDRISK Fragebogen.“
Aber wie sollte das Wechselspiel parodontale Therapie und Diabetestherapie idealerweise ablaufen? Für Osang ist in der zahnärztlichen Praxis ein regelmäßiger Recall zwischen drei und sechs Monaten je nach PA-Befund sinnvoll, um den gingivalen und parodontalen Befund zu stabilisieren. Zusätzlich sei ein regelmäßiger Recall beim Diabetologen oder Hausarzt wichtig, um die Blutzuckerwerte zu kontrollieren.
Die positiven Auswirkungen einer solchen interdisziplinären Therapie sind eindeutig. Für einen gut eingestellten Diabetiker mit einer sehr guten Mundhygiene ist es möglich, einen großen Beitrag zur oralen Mundgesundheit und seiner Allgemeingesundheit zu leisten. „Der gingivale und parodontale Befund kann positiv beeinflusst werden“, sagt Osang.
Wichtig ist, dass die Prophylaxemitarbeiterin eine ausführliche Aufklärung über die Zusammenhänge von Mundgesundheit und Diabetes beim Patienten durchführen kann. Zudem sei eine Mundhygiene‧instruktion mit praktischer Übung und Kontrolle der Umsetzung wichtig. „Zur häuslichen Mundhygiene gehört eine gute Zahnbürste mit einem planen Borstenfeld, einem kleinen Bürstenkopf und weichen Filamenten. Als Putztechnik empfehle ich die Basstechnik, etwas modifiziert mit kleinen Kreisen und der KAI-Systematik. Zudem ist eine Zahnzwischenraumpflege mit Zahnseide und Interdentalraumbürsten (verschiedene Größen) täglich unbedingt erforderlich.“
Als weitere Unterstützung für den Sulkusbereich empfiehlt die Dentalhygienikerin eine Einbüschelzahnbürste und für die Zunge die Zungenbürste. Eine Zahncreme sollte entzündungshemmende Inhaltsstoffe enthalten. Der Patient kann zur kurzzeitigen Unterstützung etwa sechs Monate nach PA-Therapie zusätzlich noch eine Mundspülung mit entzündungshemmenden Wirkstoffen benutzen. „Ganz wichtig ist, dass der Patient aufgeklärt wurde, welche Notwendigkeit ein regelmäßiger Recall hat, um den Langzeiterfolg zu gewährleisten.“
Gerade bei den Diabetikern unter den Patienten ist eine Zusammenarbeit zwischen Hausarzt/Diabetologen und Zahnarzt sehr wichtig, um den Patienten optimal zu betreuen. Deshalb raten viele Experten, dass sich die Zahnarztpraxis mit den umliegenden Ärzten in Verbindung setzen und gemeinsam über ein Betreuungskonzept sprechen sollte.
Rücksprache mit Diabetologen
Wenn ein Diabetespatient zur Kontrolle kommt, empiehlt sich im Anschluss eine kurze Rücksprache mit dem Diabetologen oder Hausarzt (HbA1c-Wert, Recall). Der Patient muss vorab sein Einverständnis schriftlich hinterlegt haben, dass Rücksprachen mit dem Hausarzt oder Diabetologen erfolgen dürfen.
Osang: „Aber auch der Diabetologe oder Hausarzt sollte sich bei schlechten Blutzuckerwerten an die behandelnden Zahnärzte wenden oder dem Patienten die Empfehlung geben, sich bei seinem Zahnarzt vorzustellen.“ Ein Präventions- und Behandlungskonzept für Diabetiker erfordert eine Zusammenarbeit verschiedener Ärzte mit dem Patienten, damit ein Gleichgewicht zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit ermöglicht werden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGParo) hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in einem Patientenratgeber Informationen zum Thema Diabetes und Mundgesundheit zusammengefasst. Dieser kann ab sofort von Zahnarztpraxen in Deutschland bezogen werden.
www.dgparo.de
Die Team im Fokus-Fortbildungsreihe des Deutschen Ärzte-Verlags befasst sich ebenfalls mit der Thematik der Interdisziplinarität. Zahnärzte und ihre Teams werden hier mit Fachvorträgen und in Hands-on-workshops zu interdisziplinären Mundgesundheitsexperten ausgebildet. Die kostenlose Checkliste für die Risikopatientengruppe “Diabetiker” fasst die Einflussfaktoren von Diabetes mellitus auf Parodontitis zusammen und gibt praktische Handlungsempfehlungen für die Praxis. Die dritte Staffel Team im Fokus wird voraussichtlich ab Frühjahr 2015 stattfinden.
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