Magersucht, Bulimie oder Esssucht: Mehr als 700.000 Menschen in Deutschland leiden an einer Essstörung. Ein Teil der Therapie ist es, das Essverhalten in einem Protokoll zu erfassen – dabei werden auch die Gefühle dokumentiert, die bei den Mahlzeiten entstehen. Eine Smartphone-App erleichtert den Betroffenen das Protokollieren.
Es lässt sich kaum genau sagen, was eine Essstörung auslöst, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). In manchen Fällen spielt eine gewisse Veranlagung eine Rolle – hinzu kommen Selbstzweifel, Perfektionismus und eine übermäßige Sorge um die eigene Figur. Auslöser können persönliche Krisen wie Trennungen, Jobverlust, Todesfälle oder andere Situationen sein, denen sich die Betroffenen nicht gewachsen fühlen. Vor allem Jugendliche sind anfällig für Magersucht und Co.: Während sich die Teenager besonders intensiv mit ihrem Körper auseinandersetzen, führen ihnen die Medien Idealvorstellungen von Schönheit vor, denen nur die wenigsten entsprechen. In einer BZgA-Umfrage äußerten 56 Prozent der 13- bis 14-jährigen Mädchen den Wunsch, dünner zu sein. 63 Prozent sagten, dass sie gerne besser aussehen würden.
Das Gefährliche dabei: Aus dieser Unsicherheit mit dem eigenen Körper können sich ernsthafte Probleme entwickeln – natürlich nicht nur bei Jugendlichen: Weltweit leiden 0,9 Prozent der erwachsenen Frauen an Magersucht und 1,4 Prozent an Bulimie. Immer häufiger sind auch Männer betroffen. Etwa sechs Prozent der Betroffenen begeben sich jährlich in eine Therapie. Ein Teil der Verhaltenstherapie ist es, Essprotokolle zu schreiben, die es den Patienten ermöglichen, ihre eigenen Verhaltensmuster besser zu verstehen. Anhand dieser Protokolle kann der Therapeut den Therapieverlauf anpassen.
App “Jourvie” will den Alltag erleichtern
Um die Patienten an diesem Punkt ihrer Therapie zu unterstützen, hat das Berliner Start-up “Jourvie” eine gleichnamige Smartphone-App entwickelt. An der Entwicklung war auch die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Charité-Universitätsmedizin Berlin beteiligt. Unter anderem beinhaltet die kostenlose App ein digitales Essprotokoll mit Erinnerungsfunktion, vorgegebene Stressbewältigungsstrategien und Motivationsideen.
Dabei hat das digitale Essprotokoll für die Betroffenen einige Vorteile: So lässt es sich in der Öffentlichkeit unauffälliger ausfüllen als die klassische Papier-Variante. Außerdem lassen sich die Daten direkt an den Therapeuten schicken Die Macher überarbeiten die App derzeit – bald soll es ein neues Design und neue Funktionen geben.
Und seit Januar gibt es noch eine zweite App aus der Jourvie-Familie: In Kooperation mit der AOK Nordost richtet sich “Elamie” eher an die Eltern, die sich Sorgen um das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen machen. Wenn ein Arzt Anzeichen für eine Essstörung festgestellt hat, hilft die App den Eltern, aufmerksamer hinzusehen, Symptome zu erkennen und auffällige Beobachtungen festzuhalten, um sie später mit dem Arzt zu besprechen. Wenn der Arzt dann eine konkrete Gefährdung feststellt, kann er den Eltern eine Beratungsstelle oder einen speziell geschulten Psychologen empfehlen.
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