Ölziehen ist derzeit voll im Trend: Dabei spült man den Mund statt mit Wasser oder Mundspüllösung einfach mit Pflanzenöl aus. Das soll dem Körper Giftstoffe entziehen – und dadurch nicht nur für die Mundhygiene gut sein, sondern für den ganzen Körper. Aber stimmt das auch wirklich?
Der Trend ist alles andere als neu: Die Methode stammt aus Indien – genauer gesagt aus der traditionellen ayurvedischen Medizin. Dort wird Öl seit Jahrtausenden verwendet, um den Körper von Gift- und Schadstoffen zu befreien. Das Ölziehen wurde bereits vor etwa 2.000 Jahren in uralten ayurvedischen Schriften erstmals beschrieben. Der Methode werden viele positive Effekte zugeschrieben: So soll es für gesündere und weißere Zähne, gesünderes Zahnfleisch, weniger Mundgeruch und weniger Plaque sorgen. Doch auch außerhalb des Mundes soll das Ölziehen gegen verschiedene Krankheiten helfen: Darunter sind unter anderem Diabetes, Rheuma, Asthma, Allergien, Menstruationsbeschwerden, Kopfschmerzen und Migräne.
Ölziehen: So funktioniert’s
Der richtige Zeitpunkt für das Ölziehen ist morgens direkt nach dem Aufstehen und noch vor dem Zähneputzen. Wichtig ist auch, dass Du vorher noch nichts gegessen oder getrunken hast. Als erstes solltest Du Deine Zunge mit einem Zungenschaber reinigen. Dann kommt das Öl ins Spiel: Ein Esslöffel voll genügt – wenn Du Dich erst an das Gefühl gewöhnen musst, ist auch eine kleinere Menge in Ordnung. Das Öl nimmst Du in den Mund und bewegst es dort hin und her: Je nach Vorliebe kannst Du damit gurgeln, die Zähne umspülen, kauen oder saugen. Anschließend wird das Öl ausgespuckt – bitte nicht schlucken! Am besten spuckst Du es nicht einfach ins Waschbecken, sondern entsorgst es in einem Taschentuch im Haus- bzw. Biomüll – zu viel Fett kann den Ausguss verstopfen. Danach kannst Du Dir wie gewohnt die Zähne putzen.
Und welches Öl sollte man dafür benutzen? In der ayurvedischen Medizin wird Sesamöl verwendet. Aber Du kannst je nach Geschmack auch andere Pflanzenöle benutzen: beispielsweise Kokos-, Erdnuss-, Oliven- oder Sonnenblumenöl, das Du ja vielleicht sowieso in der Küche hast. Es gibt auch ayurvedische Öle, die speziell für diesen Zweck hergestellt wurden. Sie enthalten zusätzlich noch ätherische Öle wie Minze oder Zitrone, sind aber auch deutlich teurer.
Und, bringt das auch was?
Seit 2009 ist wissenschaftlich belegt, dass das Ölziehen Bakterien im Mundraum wirksam bekämpfen kann. Eine entsprechende Studie haben indische Wissenschaftler im Fachmagazin “Indian Journal of Dental Research” veröffentlicht. Sie wiesen nach, dass das Öl beim Ölziehen in die kleinsten Ritzen im Mund eindringt. Allerdings musst Du es dafür auch mindestens 20 Minuten lang im Mund bewegen – nur dann erreicht es auch die Zahnzwischenräume und die Zahnfleischtaschen zuverlässig. Wissenschaftliche Nachweise für die anderen positiven Effekte, die der Methode nachgesagt werden (wie Linderung bei Migräne, Regelschmerzen, Hauterkrankungen, grippalen Infekten und diversen Organleiden), gibt es allerdings nicht. Die Schulmedizin hat die Vorstellung von Giften und Schlacken, die aus dem Körper entfernt werden müssen, schon vor über 200 Jahren aufgegeben. In der Alternativmedizin ist dieses Konzept allerdings weit verbreitet.
Fazit: So ganz ohne Weiteres lässt sich das Ölziehen nicht in die Morgenroutine einbauen – wenn Du es richtig machen willst, brauchst Du einfach mindestens 20 Minuten Zeit dafür. Und für die meisten ist es vermutlich auch eine Überwindung, das Öl so lange im Mund zu behalten, ohne es zu schlucken oder auszuspucken. Aber wenn Du es ausprobieren willst: Schaden kann das Ölziehen nicht. Und besser als gar keine Interdentalraumreinigung ist es allemal.
Dr. Stefan Klaas
16 April
Und warum macht man es nicht gleich richtig und nimmt ätherische Öle? Zum Beispiel L.…?
Jenny Hoffmann
17 April
Hallo Herr Dr. Klaas,
vielen Dank für den guten Einwand. Das Spülen mit Mundspüllösungen, die ätherische Öle enthalten, ist besonders sinnvoll für eine gute Zahn- und Mundgesundheit – wie ja auch in der neuen S3-Leitlinie zur PA-Therapie beschrieben ist.
In diesem Artikel wollte wir allerdings einmal dem Thema “Ölziehen” nachgehen und schauen, was an dem Trend wirklich dran ist.
Viele Grüße
DENTAL team