Private Krankenversicherungen sehen in ihren Versicherungsbedingungen oftmals vor, im Rahmen von kieferorthopädischer Behandlung und bei prothetischen Versorgungen die zahntechnischen Leistungen lediglich bis zu einer bestimmten Höhe und in begrenztem Umfang nach einer sogenannten Sachkostenliste zu erstatten.
Unter einer Sachkostenliste ist dabei eine Auflistung zu verstehen, die zahntechnische Leistungsbeschreibungen und die Fertigungskosten umfasst, deren Umfang und Preisgestaltung allein von der Krankenversicherung bestimmt wird.
Sachkostenlisten werden über die allgemeinen Versicherungsbedingungen oder direkt vertraglich einbezogen Bestandteil des jeweiligen Versicherungstarifs. Anlass bei einigen Gesellschaften für die Einführung dieser einschränkenden Sachkostenlisten war das zum 1. Januar 1998 weggefallene und mit Wirkung zum 1. Januar 1999 wieder eingeführte „Bundeseinheitliche Leistungsverzeichnis zahntechnischer Leistungen“ (BEL) für die gesetzliche Krankenversicherung.
Zahnarzt oft der Sündenbock
Die Patienten sind selten im Detail über diese Sachkostenlisten und die finanziellen Folgen (Höhe des Eigenanteils bei der Laborkostenrechnung abzüglich der erstattungsfähigen Kosten nach Sachkostenliste) informiert, was zu stetem Unmut in den Praxen führt und den Zahnarzt oftmals als Sündenbock darstellt.
Die Sachkostenlisten schränken den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers zum Teil ganz erheblich ein, machen doch gerade Material- und Laborkosten häufig die Hälfte der Gesamtrechnung aus. Wenn diese dann bei der Erstattung z. T. erheblich gekürzt werden, entsteht unweigerlich eine „ Absicherungslücke“, die den wenigsten Patienten bekannt ist.
Die Sachkostenlisten berücksichtigen nicht den konkreten Aufwand für die erbrachte Leistung und weichen damit vom Grundsatz ab, dass die angemessenen Heilbehandlungskosten zu erstatten sind. Diese werden nach weitgehend übereinstimmender Rechtsprechung für den Einzelfall unter Berücksichtigung der speziellen Art und Ausführung der nötigen Leistungen beurteilt. In den Sachkostenlisten fehlen oft nötige Leistungen.
Darüber hinaus enthalten Sachkostenlisten meist nicht näher überprüfbare Durchschnittspreise, die den konkreten Aufwand einer Arbeit nicht berücksichtigen. Bereits aus diesem Grund bedeuten sie eine Einschränkung des Versicherungsschutzes, der vom Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss meist nicht in seinen Auswirkungen erkannt wird: Ihm werden nicht alle nötigen zahntechnischen Leistungen erstattet – und die erstattungsfähigen oft in zu geringer Höhe. Wenn sich der Zahnarzt auf Wunsch des Patienten an bestimmte Sachkostenlisten halten soll, dann sind einige Versorgungsformen darin nicht enthalten und damit nicht erbringbar und unterbleiben wohlmöglich. Und der fähige Zahntechniker will zu diesen Sachkostenpreisen nicht arbeiten.
Allerdings sind weder der Zahnarzt noch der Zahntechniker an die Vorgaben einer Sachkostenliste gebunden. Es gibt keine rechtliche Grundlage für einen Zahntechniker, seine handwerkliche Kunst unter Preis-/Leistungsfremdbestimmung zu erbringen. Es kann verständlicherweise auch nicht berücksichtigt werden, dass es für jede private Krankenversicherung eine eigene Sachkostenliste (oder sogar mehrere) gibt, die dem Zahntechniker irgendeine vorgegebene Vergütung seiner Leistung zugesteht.
Preise richten sich nach Aufwand, Qualität und Präzision
Wie im Handwerk üblich, werden die Preise für die erbrachten Leistungen betriebswirtschaftlich vom Inhaber kalkuliert und richten sich nach Aufwand, Qualität, Präzision, Ausstattung des Betriebs, Mitarbeiterstruktur und -qualifikation sowie weiteren Kriterien. Eine Sachkostenliste wird daher im Allgemeinen weder von der Praxis noch vom Dentallabor akzeptiert und zur Grundlage der Behandlung gemacht werden.
Juristisch gesehen ist diese Thematik ein „Dauerbrenner“ und altbekannt. Die private Krankenversicherung kann eine Abrechnung auf dieser Grundlage nur vornehmen, wenn die Sachkostenliste dezidierter Bestandteil des Versicherungsvertrags ist. Mit Datum vom 1. Juli 1998 hat die AXA/Colonia als Erste eine Sachkostenliste für zahntechnische Leistungen eingeführt. In ihrer „Information zur Sachkostenliste“ hieß es: „Die Liste bezeichnet abschließend die Leistungen, die von einem Zahnarzt/einer Zahnärztin oder einem zahntechnischen Labor als Sachkosten gemäß § 9 GOZ erbracht werden und im Rahmen des Versicherungsschutzes erstattungsfähig sind.“
Das Landgericht Köln hatte seinerzeit erstmals in einem solchen Fall zu entscheiden und teilte im erstinstanzlichen Urteil (29.09.2004, Az. 23 S 42/04) mit, dass die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegende Sachkostenliste „unklar und intransparent“ und somit letztlich „unwirksam“ sei. Sie beruhe auf der sogenannten BEL-Liste der gesetzlichen Krankenversicherung, auf deren Grundlage nach seiner ständigen Rechtsprechung im privaten Behandlungsvertrag nicht abgerechnet werde.
BGH: Sachkostenliste rechtswirksam
Da das Urteil zur Revision zugelassen wurde, hatte abschließend der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden: Mit Urteil vom 18.01.2006 (Az. IV ZR 244/04) stellte der BGH schlussendlich fest, dass die strittige Sachkostenliste rechtswirksam ist.
Aus diesem Urteil ergeben sich zwei wesentliche Konsequenzen: Der BGH hat einerseits klar unterstrichen, dass die privaten Krankenversicherungen nach ihren eigenen versicherungsvertraglichen Regelungen und ihrem eigenen Vertragszweck zu beurteilen sind.
Hingegen dürfen für die Prüfung der Erstattungspflicht andererseits nicht Regelungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung – wie etwa die BEL-Liste – herangezogen werden. Zitat: „Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer anderen Leistungsvoraussetzungen insoweit keinen tauglichen Maßstab für die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung unangemessen benachteiligt wird.“
Damit wurde schon damals der ewige Streit um die zutreffende Basis der Laborrechnungen, BEB oder BEL, höchstrichterlich entschieden. Ein Umstand, der bei vielen privaten Krankenversicherern bis heute ignoriert wird. Was bedeutet dies nun aber für die Versicherungsnehmer?
Vertraglich wirksame Sachkostenliste
Eine vertraglich wirksame Sachkostenliste muss zwingend rechtswirksamer Bestandteil des abgeschlossenen Versicherungsvertrags oder durch einen Zusatz zum Versicherungsvertrag in Kenntnis des Versicherten ein wirksamer Vertragsbestandteil geworden sein. Bestehende sog. „Altverträge“, die vor 1996 abgeschlossen wurden, enthalten ein solches Vertragsdetail häufig nicht. Es lohnt sich also in jedem Fall für die Patienten, das Kleingedruckte zu lesen.
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