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Abrechnung

Alte Wurzelkanalfüllung

In seinem Urteil vom 28.10.2016 (Az.: 102 C 118/15) kam das Amtsgericht Siegburg zu dem Ergebnis, dass die Entfernung einer bereits vorhandenen Wurzelfüllung im Rahmen einer Revisionsbehandlung nach der GOZ-Nr. 2170 analog abgerechnet werden konnte. Ist dieser Hinweis überhaupt eine Erwähnung wert?

Aus zahnärztlicher Sicht ist das Entfernen einer vorhandenen, alten Wurzelfüllung unstrittig Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche endodontische Revisionsbehandlung. Aus gebührenrechtlicher Sicht erscheint dieses Urteil ebenfalls wenig spektakulär. In der Kommentierung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) heißt es seit September 2012 unverändert zur Leistung nach Nr. 2410 GOZ (Aufbereiten eines Wurzelkanals): „Die Entfernung von vorhandenem definitivem Wurzelfüllmaterial ist nicht Bestandteil dieser Gebührennummer.“

Ablehnende Haltung von Kostenerstattern

Und so findet sich im „Katalog selbstständiger zahnärztlicher, gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnender Leistungen“ der Bundeszahnärztekammer denn auch die Leistung „Entfernung alten, definitiven Wurzelfüllmaterials“. In ihrem Positionspapier vom April 2014 führt die BZÄK dazu aus: „Die im Rahmen der Revision von Wurzelfüllungen vor der Aufbereitung des natürlichen Wurzelkanals erforderliche Entfernung vorhandenen definitiven Wurzelfüllmaterials wird in den Fällen, in denen die unmittelbare Bearbeitung und Desinfektion des Wurzelkanalwanddentins verhindert ist und insofern die Entfernung des definitiven Wurzelfüllmaterials eine nach Art, Material- und apparativem Einsatz selbstständige Behandlung darstellt, gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechnet.“

Dennoch zeigen Kostenerstatter und private Krankenversicherer eine ablehnende Haltung zu diesem weniger gebührenrechtlichen, mehr zahnmedizinisch-fachlichen Thema. Sollen so etwa Erstattungskosten eingespart werden? Ganz so einfach ist es nicht. Denn auch die Rechtsprechung zeigte sich bislang ambivalent. So urteilten das Amtsgericht Düsseldorf (01.07.2016, Az. 25 C 2953/14) und das Amtsgericht Bad Homburg (19.04.2016, Az. 2 C 2200/14) zustimmend. Gegenteilig äußerte sich jedoch das Amtsgericht Essen (12.11.2014, Az. 22 C 37/14). Wie kommt eine solche konträre Auslegung zustande?

Kein gemeinsamer Beschluss

Wie kompliziert das Thema ist, zeigt das Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen. Es besteht aus Vertretern von Bundeszahnärztekammer, Beihilfestellen und privaten Krankenversicherern. Zu den getroffenen Beschlüssen zur Endodontie (Nr. 6–10 aus dem Jahr 2014) konnte das Beratungsforum keinen gemeinsamen Beschluss zustande bringen. Zu Nr. 10 heißt es lediglich:

„Das erschwerte Aufsuchen verengter Wurzelkanaleingänge und das Überwinden natürlicher Hindernisse bei der Aufbereitung des Wurzelkanals (Dentikel, Obliterationen, Verengungen, Krümmungen) sowie natürlicher oder iatrogener Stufen stellen keine selbstständigen, analog zu berechnenden Leistungen dar, sondern sind mit der Grundleistung unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 2 der GOZ zu berechnen.“

Im Kern begründet wird der Beschluss nicht. Es wird nicht herausgestellt, dass das Bewältigen anatomischer Hindernisse bereits in der GOZ geregelt ist.

Erstaunliches Amtsgerichtsurteil

Genauso findet sich dieser Wortlaut auch im Positionspapier der BZÄK (Stand April 2014). Dieses ergänzt den Beschluss Nr. 10 des Beratungsforums wie folgt: „ Über die analoge Berechnungsfähigkeit der ‚Entfernung vorhandenen definitiven Wurzelkanalfüllmaterials‘ konnte kein Konsens erzielt werden.“

Umso erstaunlicher nun das Amtsgerichtsurteil aus Siegburg. Dort heißt es, dass die „Entfernung der alten Wurzelfüllung im Rahmen der Revisionsbehandlung medizinisch notwendig und von der GOZ-Nr. 2410 nicht erfasst“ sei. Es finde sich weder im Leistungstext noch in den Abrechnungsbestimmungen ein gegenteiliger Hinweis. Außerdem zeigten die Positionen Nr. 2360 und 2300 GOZ, „dass die Entfernung von Materialien und Geweben, die sich vor der eigentlichen Aufbereitung im Wurzelkanal befinden, eine eigenständige Leistung“ darstelle.

Physiologisch oder iatrogen?

Gegenstand der Verhandlung war die Tatsache, dass eine Patientin, bei der eine umfangreiche Revisionswurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durchgeführt wurde, ihre Rechnung nicht vollständig bezahlen wollte. Die betreffende Rechnung umfasste die in Analogie zur GOZ-Nr. 2170 angesetzte Leistung – „Beseitigung von physiologischen/iatrogen verursachten Penetrationshindernissen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der Geb.-Nr. 2170: Einlagefüllung, mehr als zweiflächig“.

Betrachtet man die Formulierung der strittigen zahnärztlichen Leistung genauer, erscheint das Amtsgerichtsurteil in einer neuen Perspektive. In der Formulierung der erfolgten Leistung werden zwei gegensätzliche Sachverhalte vermengt: „Physiologisch“ ist das Gegenteil von „iatrogen“. Vorhandenes Wurzelfüllmaterial ist eher nicht physiologisch, dennoch kein Penetrations-, sondern ein Aufbereitungshindernis. Der Formulierung der Leistung steht die geforderte „Laienverständlichkeit“ des § 10 (4) GOZ entgegen.

Aber die gerichtliche Feststellung, dass „Entfernung der Altfüllung aus dem Wurzelkanal“ eine notwendige, selbstständige und nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ aufgeführte Analogleistung (i.S.v. § 6 Abs. 1) ist, hat schon hohen Wert.



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