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Abrechnung: Wichtige Änderungen

Beihilfe bei Verblendungen

© proDente

In vielen Zahnarztpraxen hat die Beihilfe als Kostenerstatter immer noch einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, wie sich zeigt, wenn man die geänderten Bestimmungen für Beihilfeberechtigte des Landes Nordrhein-Westfalen studiert. Gerade in Bezug auf die Verwendung von Verblendungen hat sich die Beihilfeverordnung in NRW entscheidend gewandelt.

Fast unbemerkt von den Anspruchsberechtigten und Leistungserbringern wurden mit der Bekanntgabe der neuen Verwaltungsvorschriften zur Beihilfeverordnung (BVO), Runderlass des Finanzministeriums vom 15.09.2016 (veröffentlicht im Ministerialblatt Nr. 24 am 28.09.2016), unter anderem folgende Änderung bekannt gegeben:
„Mehraufwendungen für Verblendungen (einschließlich Vollkeramik) sind nunmehr bei allen Zähnen im angemessenen Umfang beihilfefähig; eine Kürzung der Aufwendungen für Zähne im hinteren Zahnbereich (ab 7) erfolgt nicht mehr.“

Konsequenz für die Tarife der PKVs

Das mag zunächst unspektakulär klingen, doch das ist es keineswegs. Weiterhin gilt die prozentuale Einschränkung der Beihilfefähigkeit auf zahntechnische Leistungen insgesamt in Höhe von 60 Prozent in NRW. Dafür entfällt jedoch die bisherige zusätzliche Einschränkung, wonach „Mehraufwendungen für Verblendungen (einschließlich Vollkeramikkronen und -brücken) grundsätzlich bis einschließlich Zahn 6 notwendig und damit beihilfefähig“ waren.

Interessant dabei ist vor allem die Konsequenz für die Tarife der privaten Krankenversicherungen. Die haben oft zahlreiche Tarife für beihilfeberechtigte Versicherungsnehmer in ihrem Portfolio, die die bestehenden Differenzen zwischen Beihilfeanspruch und zahnärztlicher Rechnung in großem Maße abdecken sollten. Meist sind diese an geltendes Beihilferecht gekoppelt. Im konkreten Fall wird sich der Erstattungsanspruch für NRW-Beihilfeberechtigte bei Kronen- und Brückenversorgungen somit nicht nur aus beihilferechtlicher, sondern auch versicherungsrechtlicher Sicht erhöhen. Angepasste Versicherungsprämien dürften da nicht lange auf sich warten lassen.

Dennoch: Vergleicht man diese Regelung mit denen der anderen Bundesländer, sind die Landesbediensteten Nordrhein-Westfalens zumindest in diesem Punkt gegenüber ihren Kollegen aus Bund und anderen Bundesländern im Vorteil. Dass Keramikversorgungen medizinisch notwendig sind, ist seit Langem aus zahnmedizinisch-fachlicher Sicht unbestritten. Bakterielle Beläge haften an Keramik wesentlich schlechter als an Vollgussversorgungen, die Gefahr einer Karies am Kronenrand wird damit deutlich reduziert.

Werkstoffallergien nehmen zu

Angesichts des unverändert hohen Goldpreises zeigte sich zudem immer deutlicher die Kostenneutralität von Vollkeramikversorgungen im Vergleich zu goldlegierungshaltigen prothetischen Versorgungen. Das gilt unabhängig davon, ob keramisch verblendete Varianten oder reine Vollkeramiklösungen verwendet werden. Lediglich Nicht-Edelmetall-Legierungen können bei Kostenaspekten hier noch punkten. Deren Qualität hinsichtlich Zusammensetzung und zahntechnischer Verarbeitung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Trotzdem ist nicht außer Acht zu lassen, dass Werkstoffallergien insbesondere gegenüber Metallen und Kunststoffen (Acrylaten und anderen Bestandteilen) im zahnärztlichen Bereich tendenziell zunehmen. Keramikversorgungen sind nicht nur biokompatibel, sondern werden nun mit den ersten Änderungen im Beihilferecht auch gebührenrechtlich endlich salonfähig.

Keramikversorgungen bei Molaren

Gerichte haben sich in der Vergangenheit immer wieder mit der Fragestellung der medizinischen Notwendigkeit von Keramikversorgungen im Molarenbereich auseinandersetzen müssen, so etwa das Landgericht Essen mit seinem Urteil vom 10.01.2005 (Az. 1 O 215/02) oder das Landgericht Köln mit Urteilen vom 11.01.2006 (Az. 23 S 51/05) und vom 03.02.2010 (Az. 23 O 56/07). Deren Einschätzungen waren deutlich: Es „müssen Vollverblendungen der hinteren Backenzähne fallbezogen beurteilt werden“. Die Urteile bestätigen, dass bei sichtbaren Seitenzähnen, insbesondere bei großer und breiter Mundöffnung, eine medizinische Notwendigkeit gegeben sei. Auch wenn beide Gerichte für den Personenkreis rein privat krankenversicherter Patienten geurteilt hatten, wurde der Anspruch auf eine auch unter ästhetischen Gesichtspunkten einwandfreie Leistung betont.

Das Landgericht Essen unterstrich dabei: „Die Argumentation, die hinteren Molaren lägen im nicht sichtbaren Bereich, greift nicht. Bei geöffnetem Mund sind die hinteren Molaren genauso zu erkennen, wie die vorderen Zähne. Insoweit kann man sagen, dass das, was für die Ästhetik und die medizinische Notwendigkeit der vorderen Zähne gilt, auch für die hinteren Zähne gilt.“
Ob die Entscheidung für die vorgenommenen Änderungen im nordrhein-westfälischen Beihilferecht nun rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschuldet ist oder dem aktuellen Stand der Zahnheilkunde, ist aus Sicht der Anspruchsberechtigten zweitrangig. Es bleibt deshalb nicht nur aus dem Blickwinkel von Patienten, Zahnärzteschaft und Zahntechnikerhandwerk zu wünschen, dass diese durchaus positive, absolut zeitgemäße Entwicklung im Beihilferecht kein Einzelfall bleibt und sich erstattungsrechtliche Prozesse mehr der zahnmedizinischen und allgemeinmedizinischen Realität annähern.



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