Erosionen der Zähne sind ein immer öfter bei Patienten auftretendes Problem. Prophylaxe-Expertinnen erklären in team, welche Besonderheiten bei Patienten mit Erosionen bestehen und was man beachten sollte, um den drohenden Verlust von Zahnhartsubstanz zu verhindern.
“Gefühlt“ gibt es immer mehr Patienten mit Erosionen in den Zahnarztpraxen. Auch eine vor etwa zwei Jahren auf europäischer Ebene durchgeführte Studie bestätigte: Schon ein Drittel der 20- bis 30-Jährigen weist an mindestens einem Zahn eine deutliche Erosion auf. Bei vielen Patienten sind Lebensmittel die Ursache, beispielsweise säurehaltiges Essen und Getränke. Das liegt an dem veränderten Gesundheitsverhalten: In den letzten 25 Jahren hat sich die Ernährung gewandelt. Immer mehr gesundheitsbewusste Menschen trinken zunehmend Getränke mit niedrigem pH-Wert (z. B. Fruchtsäfte) und essen vermehrt säurehaltige Früchte, Salate oder Essig.
Erosionen treten heute häufiger auf
Dentalhygienikerin Christine Gradewald weiß: „Erosionen werden in unserer heutigen Bevölkerung immer mehr, denn der Trend geht zu einer gesundheitsbewussten Ernährung. Viele Menschen sind oder werden Veganer oder Vegetarier und deren Nahrungsmittel sind überwiegend Obst und Gemüse.“
Doch die Ernährung ist nicht die einzige Ursache: Vor allem im Zuge des demografischen Wandels leiden immer mehr Betroffene unter Reflux. Bei ihnen schädigt also Magensäure die Hartsubstanz. Bei einer nicht geringen Patientengruppe ist Bulimie oder Anorexia nervosa die Ursache. Hier schädigt bei den zumeist weiblichen Betroffenen das Erbrechen die Zähne.
Ein Problem ist: Die Patienten nehmen diese Gefahr in der Regel längere Zeit überhaupt nicht wahr. Denn Erosionen verursachen erst einmal keine Schmerzen. Patienten bemerken im Frühstadium von den Problemen nichts. Dentalhygienikerin Heike Wilken: „Die Patienten selbst werden auf die Läsionen erst aufmerksam, wenn ihre Zähne aufgrund der dünneren Schmelzschicht gelber und kürzer werden oder wenn sie an Überempfindlichkeiten leiden.“
Diagnostik wichtig, aber auch schwierig
Deshalb ist auch eine gute klinische Diagnostik von Erosionen im Frühstadium so wichtig. Diese ist allerdings auch schwierig. Denn Zeichen für Erosionen im Frühstadium sind glatte, matt glänzende Schmelzoberflächen sowie lokal okklusale und inzisale Eindellungen der Zahnoberfläche. Laut Gradewald sind die meisten Erosionen bukkal/labial sowie oral zu finden. „Hier lässt sich am Gingivalrand eine intakte, schmale Schmelzstruktur erkennen, denn diese wird durch Plaque oder Sulkusfluid vor Säureattacken geschützt. Bei weiterem Fortschreiten kommt es zur Abrundung und Eindellung der Okklusionsflächen im Seitenzahnbereich, wobei hier typische Schmelzverluste mit kantigen Übergängen zu vorhandenen Füllungsrändern entstehen.“
Die Expertinnen bevorzugen für die Diagnostik ein standardisiertes und reproduzierbares Indexsystem ohne großen Aufwand. Dazu eignet sich der BEWE-Score (Basic Erosive Wear Examination). Dieser Index ermöglicht eine Beurteilung der Säureschäden eines Gebisses mit geringem Zeitaufwand. Mit Ausnahme der dritten Molaren werden alle Zähne jeweils vestibulär, okklusal und oral auf Säureschäden untersucht. Dabei wird jedem Zahn je nach stattgefundenem Substanzverlust ein Wert zwischen 0 und 3 zugeordnet und der höchste Wert in jedem Sextanten addiert. Der aktuelle klinische Befund kann zudem fotografisch festgehalten werden. So ist eine kontinuierliche Verlaufskontrolle möglich.
Patientencompliance entscheidet
Ist das Problem erst einmal erkannt, ist auch die Mitarbeit des Patienten in der Behandlung entscheidend. Denn verloren gegangener Zahnschmelz kann nicht wieder aufgebaut werden. Gradewald empfiehlt ihren Patienten besonders schwach abrasive Zahnpasten mit Fluorid und Zinn. „Diese bilden einerseits auf der Zahnoberfläche eine säureresistente Schutzschicht und lagern sich andererseits in erosiv veränderten Oberflächen in Form von Zinnionen ein.“
Laut der Dentalhygienikerin hat die regelmäßige Anwendung einer fluorid- und zinnhaltigen Spüllösung und/oder eines Fluoridgels zusätzlich einen positiven Effekt. „Für die häusliche Zahnpflege eignet sich eine weiche Zahnbürste mit einer schonenden Bürsttechnik. Zur Stimulierung der Speichelfließrate sind schonende Zahnpflegekaugummis oder Lutschbonbons hilfreich. Dabei muss jedoch auf den neutralen pH-Wert geachtet werden, denn sonst wirken diese auch erosiv.“
Wilkens Prophylaxetipps für die Patienten sind sehr ähnlich. Auch die DH aus Emsdetten empfiehlt ihren Patienten „eine weiche Zahnbürste, eine zahnschonende Putztechnik und eine schwach abrasive Zahnpasta“. Dass Mundhygieneprodukte, die eine Kombination aus Zinn und Fluorid enthalten, empfehlenswert bei Erosionspatienten sind, sieht Wilken zusätzlich durch Studien belegt.
Warten: Kein Erfolgsrezept
Eine halbe Stunde nach der Mahlzeit mit dem Zähneputzen zu warten ist auch bei Erosionen kein Erfolgsrezept. „Eine verzögerte Mundhygiene begünstigt eher die Entstehung von Karies, denn viele Speisen und Getränke enthalten neben Säure auch Zucker“, erklärt Gradewald.
Die Ausnahme gilt bei Patienten mit regelmäßigem Erbrechen. „Diesen Patienten empfehle ich, die Zahnreinigung nicht unmittelbar nach Säureexposition durchzuführen“, sagt Wilken. Besser sei es dann, den Mund erst einmal mit Wasser auszuspülen.
Großen Einfluss auf die Therapie von Erosionen hat das Ernährungsverhalten der Patienten. Da ist das Praxisteam, insbesondere die Prophylaxefachkraft, gefordert. Die Beratung benötigt natürlich ein gewisses Fingerspitzengefühl und auch die Erkenntnis, dass ein komplettes Verbot nicht immer zielführend ist.
Ernährungsprotokoll ist sinnvoll
Die Expertinnen halten generell ein Ernährungsprotokoll für sinnvoll. Dieses sollte an mindestens vier aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt werden und auch das Wochenende mit einbeziehen. Wilken: „Den meisten Patienten ist gar nicht bewusst, in welchen Lebensmitteln Säure enthalten ist. Außerdem ist ihr Ernährungsverhalten am Wochenende oftmals ganz anders.“
Die anschließende Ernährungsberatung wird dazu genutzt, dem Patienten bewusst zu machen, welche Nahrungsmittel eine erosive Wirkung haben.
Gradewald rät ihren Patienten in der Beratung, säurehaltige Lebensmittel zu reduzieren und auf möglichst wenige Hauptmahlzeiten zu beschränken. Sie rät dazu, mit Kalzium und Phosphat angereicherte Getränke und Lebensmittel, die diese Stoffe natürlicherweise enthalten, wie etwa Joghurt, Joghurtdressing, Quark, Käse, Buttermilch und Orangensaft mit Kalzium, zu bevorzugen.
Ein weiterer praktischer Tipp: Säure- und zuckerhaltige Getränke sollten nicht schluckweise über einen längeren Zeitraum konsumiert oder gar durch die Zähne gezogen werden.
Betroffene brauchen Prophylaxe und Motivation
Gradewald: „Patienten mit Reflux empfehle ich, Speisen und Getränke wie Zitrusprodukte, Essigsaucen, stark fetthaltige Speisen, Tomaten, Pfefferminz, Kaffee, Schwarztee, kohlensäurehaltige Getränke und Schokolade zu vermeiden. Bei diesen Patienten sind zur Schonung des Magens mehrere kleine Mahlzeiten am Tag anzuraten und sie sollten keine große Mahlzeit vor dem Zubettgehen zu sich nehmen.“
In einem sind sich die Expertinnen erneut einig: Gerade Patienten mit Erosionen benötigen eine regelmäßige, systematische und von geschultem Personal durchgeführte Prophylaxe und eine kontinuierliche Motivation. Nur so könne der Ist-Zustand erhalten und weiterer Verlust von Zahnhartsubstanz vermieden werden.
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