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Flashlight PAR-Richtlinie

Die präventionsorientierte Parodontitis-Therapie wird als Quantensprung für die Mundgesundheit betrachtet. Doch welche Auswirkungen hat die Budgetierung auf die moderne Parodontitis-Therapie? Sylvia Fresmann Dental Hygienist B.Sc. gibt einen Überblick über Herausforderungen und Chancen nach einem Jahr Budgetierung.

Mit der PAR-Leitlinie wurde 2021 eine wissenschaftlich basierte Behandlungsstrecke in eine eigene Richtlinie überführt. Die neuen Leistungen, ATG (Au klärungs- und Therapiegespräch), MHU (Mundhygieneunterweisung), AIT (Antiin ektiöse Therapie), BEVa und b (Befundevaluation a und b), CPT (Chirurgische Parodontitis-Therapie) und UPTa–g (Unterstützende Parodontitis-Therapie a bis g), und die
neuen Abläufe sollten das Leistungsangebot im Bereich der gesetzlichen Versorgung erweitern und somit die Versorgung unserer Patienten deutlich verbessern. Das Herzstück der Parodontitis-Therapie war schon immer die UPT – hier wurde in der Richtlinie eine zweijährige UPT-Phase mit einer individuellen Frequenz au Grund der Einstufung in die Klassifikation der Parodontalerkrankungen vorgesehen. So wird jetzt der „Ist-Zustand“ der Erkrankung mit dem Stadium eingeteilt und die „Progression“ mit dem Grad der Erkrankung. Die UPTs werden nun je nach Grad der Erkrankung, dreimal, zweimal oder einmal pro Jahr von der GKV getragen. So können wir unsere Parodontitis-Patienten sehr individuell betreuen. Wenn nur die Budgetierung nicht wäre.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
Das im November 2022 in Kraft getretene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) soll der Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung dienen. Vielfach wird behauptet, dieses Spargesetz bewirke faktisch einen Rückfall in die Zeiten der strikten Budgetierung. Diese Budgetierung und Deckelung präventionsorientierter Leistungen kommt einer PAR-Triage gleich. Diese Entscheidung trift die Patienten – insbesondere all diejenigen, bei denen die Parodontalbehandlungen in einem direkten Zusammenhang mit allgemeinen Erkrankungen wie Diabetes und Co. stehen. Vor 2,5 Jahren traten die neuen PA-Leistungen der GKV in Kraft. Wir haben inzwischen viele Patienten nach der neuen Richtlinie behandelt und eine deutliche Verbesserung der Mundgesundheit festgestellt – positive Effekte sind deutlich erkennbar. Doch der Evaluationsbericht der KZBV und der DGPARO vom September 2023 zeigt einen erschreckend deutlichen Rückgang der Neubehandlungen, bei gleichzeitig weiterhin hoher Krankheitslast. Dabei hatte die PAR-Behandlungstrecke durch den erleichterten Einstieg für die Patienten und die strukturierte Systematik der Therapie großes Potenzial, die Mundgesundheit unserer Patienten dauerhaft positiv zu beeinflussen. Wenn man weiß, dass Parodontitis und einige schwerwiegende Allgemeinerkrankungen erwiesenermaßen zahlreiche Zusammenhänge au weisen, ist diese Budgetierung in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein schwerer Fehler und wird negative Folgen für die Mund- und Allgemeingesundheit unserer Patienten haben. Hinzurechnen müssen wir auch die indirekten Krankheitskosten von unbehandelter Parodontitis. So ist ein Diabetes-Patient nicht so stabil „einzustellen“ und wird durch die Entzündungslast im Mund Schwankungen im Blutzuckerspiegel haben. Gleiches gilt auch für weitere schwere Allgemeinerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder rheumatische Erkrankungen – auch hier spielt die Entzündungskrankheit Parodontitis eine große Rolle. Die Folgen tragen die Patienten mit erhöhten Kosten für Zahnersatz, einer instabilen Allgemeingesundheit und eventueller Zahnlosigkeit. Nicht jeder Patient, der von professionellen präventionsorientierten PA-Leistungen profitieren könnte, wird diese nun erhalten.

PAR-Neubehandlungen
Das Ergebnis des Evaluationsberichts ist ebenso eindeutig wie erschreckend: Im 1. Halbjahr 2023 ging die Anzahl der Parodontitis-Neubehandlungsfälle massiv zurück – bei einer weiterhin hohen Krankheitslast. So lag die Zahl der Neubehandlungsfälle für die dreijährige präventionsorientierte PAR-Behandlungsstrecke im Juli dieses Jahres nur noch bei rund 92.400 – Tendenz weiter sinkend. Dies bedeutet einen Rückfall auf das niedrige Niveau vor Einführung der neuen PAR-Behandlungsstrecke. 2021 und 2022 sind hauptsächlich Neubehandlungsfälle abgerechnet worden – am 1. Juli 2021 trat die Richtlinie in Kraft. Diese Fälle laufen jedoch aufgrund der zweijährigen UPT und der vorherigen Behandlungsmaßnahmen wie ATG, MHU und AIT in einigen Fällen drei Jahre und so addieren sich diese UPTs zu den Neubehandlungsfällen aus 2023. Das bedeutet, der „Berg“ der UPTs wird immer größer und so bleibt wenig bis gar kein Geld für Neubehandlungsfälle.

Folgekosten durch den Einbruch der PAR-Neubehandlungen
Bleibt die Parodontitis unbehandelt, droht nicht nur Zahnverlust. So werden die Patienten vermehrt Zahnersatz und Implantate benötigen – mit rechtzeitiger Parodontitis-Behandlung ließe sich das in vielen Fällen vermeiden. Darüber hinaus hat eine unbehandelte Parodontitis einen großen Einfluss auf die Allgemeingesundheit. In den parodontal vertieften Zahnfleischtaschen tummeln sich Bakterien, deren Giftstoffe und Entzündungsprodukte über die Blutbahn in den ganzen Körper gestreut werden. Parodontitis kann so zur Gefahr für Herzklappen-Patienten werden, aber auch das Risiko für schwere Verläufe von Rheuma, Bluthochdruck, chronischen Atemwegerkrankungen und Osteoporose steigt. Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes ist sehr gut durch Studien belegt, aber auch Demenz und Parkinson werden diskutiert. Und wie könnte man diese Risiken minimieren und damit enorme Kosten sparen? Richtig, mit strukturierter Parodontitis-Therapie!

Vulnerablen Gruppen
Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 99 Neuntes Buch Sozialgesetzgesetzbuch (SGB IX) erhalten und bei denen die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist, oder die einer Behandlung in Allgemeinnarkose bedürfen, oder bei denen die Kooperationsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist, können aufgrund vertragszahnärztlicher Entscheidung anstelle der systematischen Behandlung gemäß der PAR-Richtlinie Leistungen in einem bedarfsgerecht modifizierten Umfang zur Behandlung einer Parodontitis erhalten. Jedoch muss bei Patienten mit einem Pflegegrad bzw. einer Eingliederungshilfe zusätzlich auch eines dieser Kriterien vorhanden sein und auf der Anzeige des Behandlungsfalls kenntlich gemacht werden. Den Nachweis der Patienten über Pflegegrad oder Eingliederungshilfe muss dokumentiert und zum Patientenfall in der Praxis abgelegt werden. So haben diese Patienten Anspruch auf die „verkürzte“ PAR-Behandlungsstrecke und sind grundsätzlich in Grad B mit zwei UPTs pro Jahr eingeordnet. Diese PAR-Behandlungsfälle sind nicht budgetiert und müssen auch nur bei der Krankenkasse angezeigt werden.

Positive Aspekte
Viele positive Aspekte lassen sich nicht finden, jedoch verwundert es, dass die handelnden Politiker in Berlin diese Herausforderungen nicht sehen. Glaubt man der Statistik, so müssten auch ein Großteil der Politiker zum Beispiel im Bundesgesundheitsministerium an einer Parodontitis erkrankt sein und hoffentlich in einer Zahnarztpraxis behandelt werden. Die dortige Aufklärung lässt uns hoffen, dass diese ihre eigene Krankheitserfahrung auch auf ihre Entscheidungen bzgl. der Gesundheitspolitik einfließen lassen. Denn: das Risiko für parodontale Erkrankungen steigt mit dem Alter und wird in den nächsten Jahren einen massiven Behandlungsbedarf bescheren. So oder so, diese Patienten müssen behandelt werden, um die Auswirkungen der Parodontitis in Grenzen zu halten. Die Parodontitis-Basis-Therapie sollte mit sinnvollen zusätzlichen Maßnahmen ergänzt werden – zum Wohle der Patienten. Für viele Patienten mit allgemeinmedizinischen Risiken sollten auch engere Behandlungsfrequenzen empfohlen werden, um die Risiken zu minimieren. Last but not least, wir sollten auch korrekt abrechnen, seit Dezember 2022 stehen uns für die GOZ-Patienten verhandelte Analog-Positionen für die Parodontitis-Therapie zur Verfügung, die leider noch nicht in allen Praxen ihre Anwendung finden. Eine große Chance liegt in der Aufklärung und Befunderhebung: Eine genaue parodontale Befunderhebung liefert eine gute Basis für die Planung der Parodontitis-Therapie. Wir erheben routinemäßig sechs Messpunkte Sondierungstiefen, Attachmentverlust, Blutung auf Sondierung und weitere Befunde wie Beweglichkeit und Furkationsbeteiligung. Selbstverständlich gehört auch ein Plaqueindex dazu. Das ermöglich uns eine sehr gute Verlaufsdarstellung und Beratung des Patienten. Denn: Wenn ein Patient/eine Patientin seine/ ihre Befunde versteht und sich durch die Behandlungen die Befunde verbessern, sind Patienten viel eher bereit, auch mehr zu investieren und private zusätzliche Sitzungen bei uns in Anspruch zu nehmen.


Sylvia Fresmann
Dental Hygienist B.Sc.

Großes Bild: Adobe Stock – thanksforbuying



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