Vor einer Implantation ist eine radiologische Untersuchung der umgebenden Knochengewebe erforderlich. In fünf Empfehlungen haben Fachleute von 17 Fachgesellschaften und Organisationen unter Federführung der DGI und der DGZMK in einer S3-Leitlinie formuliert, wann eine 3D-Diagnostik empfohlen wird und was dabei beachtet werden sollte. Hinzu kommt eine weitere Empfehlung zur navigationsgestützten Implantattherapie.
Röntgendiagnostik wichtig
Jede Röntgenaufnahme erfordert eine „rechtfertigende Indikation”, die von Ärzten oder Zahnärzten mit der dafür erforderlichen Fachkunde gestellt werden muss. Eine solche ist stets vor einer Implantatinsertion erforderlich, um Menge und Qualität des Knochengewebes sowie die angrenzen anatomischen Strukturen beurteilen zu können. „In vielen Fällen ist hierzu eine zweidimensionale Röntgendiagnostik mit Referenzkörpern indiziert und ausreichend”, schreiben die Fachleute im Begleittext der neuen S3-Leitlinie zum Thema.
Sieben Indikationen für 3D
Die Autorinnen und Autoren haben insgesamt sieben Indikationen aufgelistet, bei denen eine 3D-Röntgendiagnostik hilfreich sein kann. Beispiele dafür sind etwa deutliche anatomische Abweichungen, pathologische Veränderungen oder eine unsichere Darstellung von Nachbarstrukturen. Auch spezielle Therapiekonzepte können eine Untersuchung mit der Digitalen Volumentomographie (DVT) nötig machen, die in der Zahnmedizin überwiegend eingesetzt wird. In der ersten Empfehlung der Leitlinie formulieren die Fachleute die Notwendigkeit einer ausreichenden radiologischen Diagnostik des Implantatbettes vor einer Implantatinsertion. Lassen sich die notwendigen Informationen für Diagnostik, Therapieentscheidung und die Durchführung der Behandlung mit einer zweidimensionalen Untersuchung nicht gewinnen, sollte die 3D-Diagnostik erfolgen. Wird eine Therapie computergestützt geplant (Empfehlung drei), sollte in der Regel eine DVT erfolgen.
Starke Empfehlung zum Thema Strahlenbelastung
In Leitlinien der höchsten Stufe (S3) können die Empfehlungen unterschiedliche Empfehlungsgrade haben, abhängig etwa von einer Nutzen-Schaden-Abwägung und der wissenschaftlichen Evidenz. Eine starke Empfehlung haben die Fachleute zum Thema Strahlenbelastung formuliert: „Für die dreidimensionale Röntgenbildgebung soll das der Indikation entsprechende Verfahren mit der geringsten Strahlenbelastung gewählt werden. Bei der Einstellung des DVT soll das, entsprechend der Fragestellung, kleinstmögliche Field of View (FoV) (Aufnahmevolumen) verwendet und eine adäquate Ortsauflösung gewählt werden, die zu einer möglichst geringen Strahlenexposition führen.”
Genauigkeit und Grenzen der DVT
Zwei Empfehlungen gibt es zu den Grenzen der DVT. Die Diagnostik der periimplantären Umgebung im DVT ist zwar möglich, erklären die Fachleute, im unmittelbaren Nahbereich sei diese jedoch nur eingeschränkt beurteilbar. Daher empfehlen die Autoren die Kontrolle des periimplantären Knochens zunächst durch eine zweidimensionale Bildgebung. In Empfehlung Nr. 5 geht es um die Beachtung möglicher Messungenauigkeiten der DVT bei der Implantatinsertion. Zu wichtigen anatomischen Strukturen, wie z. B. dem Nervus alveolaris inferior und dem Foramen mentale sollte stets ein Sicherheitsabstand von zwei Millimeter eingehalten werden.
Navigation in der Implantologie
Die Implantatinsertion lässt sich mit speziellen Computerprogrammen auf Basis dreidimensionaler Bilddaten präoperativ virtuell planen. Solche Konzepte kommen in der Zahnmedizin – insbesondere in der Implantologie – zunehmend zum Einsatz. Aus Implantatdatenbanken können beispielsweise Implantate verschiedener Hersteller ausgewählt und virtuell am Computer positioniert werden. Neue Software-Tools mit optimierten Ansichten des Implantatlagers verbessern die virtuelle Planung der Behandlung zusätzlich. Dafür werden Daten von Laser-Scannern mit Hilfe von Referenzmarkern mit den Daten der 3D-DVT übereinandergelegt. So erfolgt auch die Zahnaufstellung virtuell. Umgesetzt werden kann diese Planung mittels direkter Instrumentennavigation oder mit Hilfe von Bohrschablonen. Studien zeigen, dass Implantate bei einer navigationsgestützten Implantation exakter positioniert werden als bei der „Freihand”-Positionierung. Dies hat jedoch keinen Effekt auf das Überleben der Implantate. Lediglich der postoperative Schmerz ist geringer.
Indikationen für die Navigation
Laut der Empfehlung der Fachleute kann die navigationsgestützte Implantologie eingesetzt werden bei:
- minimalinvasiven Techniken der Implantatinsertion vor allem bei Patienten mit besonderen Risiken (z. B. erhöhte Blutungsneigung)
- bei Zuständen nach komplexer Kieferrekonstruktion
- bei der Umsetzung einer schwierigen prothetischen Zielsetzung und
- bei besonderen Konzepten (z. B. bei der Sofortversorgung mit präfabriziertem Zahnersatz)
Warnungen
Die Autoren der Leitlinie sprechen aber auch deutliche Warnungen aus. Diesen zufolge ist die Anwendung der navigationsgestützten Implantologie an Erfahrungen sowohl im Bereich der 3D-Diagnostik als auch der Anwendung von navigationsgestützten Verfahren gebunden. „Fehler und Ungenauigkeiten”, so die Experten, „sind an jeder Stelle in der Prozesskette möglich.“ Diese können zu gravierenden Abweichungen von der angestrebten Implantatposition führen. Wer operiert, benötigt spezielle Erfahrungen im Bereich der nicht navigationsgestützten Implantologie. Eine weitere Anforderung ist die Einhaltung chirurgischer Standardprotokolle. Die sichere reproduzierbare Positionierung der Röntgen- und Führungsschablone ist eine Grundvoraussetzung.
Verantwortlichkeiten
„Die Planung der navigationsgestützten Implantologie ist eine zahnärztliche Aufgabe”, betonen die Fachleute, und solle vom Operateur zumindest überprüft werden. Bei diesem liegt auch die Verantwortung für den Gesamtprozess.
Der Koordinator der Leitlinie ist Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang (Kiel), Dr. Dr. Burkhard Kunzendorf (Kiel) der federführende Autor der Leitlinie
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