Für einen Vergütungsanspruch müssen Arbeitnehmer nicht nur nachweisen können, wie viele Überstunden sie geleistet haben, sondern auch, dass sie angeordnet waren. Das entschied das Bundesarbeitsgericht.
Um einen Anspruch auf Vergütung zu haben, muss ein Arbeitnehmer nicht nur nachweisen können, dass er Überstunden geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers dazu bereitgehalten hat. Er muss auch belegen können, dass sein Chef die geleisteten Überstunden ausdrücklich – oder schlüssig ableitbar beziehungsweise sich zwingend ergebend – angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Im verhandelten Fall klagte der Auslieferungsfahrer eines Einzelhandelsunternehmens. Seine Arbeitszeit erfasste er mittels technischer Zeitaufzeichnung. Hierbei wurden nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit erfasst, nicht jedoch die Pausenzeiten. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 geleisteten Überstunden.
Der Mann hatte darum als Überstundenvergütung 5.222 Euro brutto verlangt und dabei geltend gemacht, dass er die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet habe. Pausen zu nehmen sei ihm nicht möglich gewesen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können, argumentierte er. Die Arbeitgeberin widersprach dieser Darstellung jedoch.
Die Vorinstanzen urteilten unterschiedlich
Das Arbeitsgericht Emden hatte der Klage zunächst stattgegeben und war der Ansicht, dass durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Mai 2019 (Az. C-55/18) die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert worden sei. Nach dem Entscheid müssen die Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen.
Die Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können, entschied das Gericht.
Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Weil die Arbeitgeberin ihrerseits nicht hinreichend konkret die genommenen Pausenzeiten des Angestellten darlegen konnte, sei die Klage begründet gewesen.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wiederum hatte das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hatte begründet, dass trotz der genannten Entscheidung des EuGH ein Nachweis der arbeitgeberseitigen Veranlassung der Überstunden zwingend ist.
Pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung genügt nicht
Davon ausgehend befand das Landesarbeitsgericht, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genüge hierfür nicht. Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation.
Bundesarbeitsgericht
Az.: 359/21
Urteil vom 4. Mai 2022
Vorinstanzen:
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Az.: 5 Sa 1292/20
Urteil vom 6. Mai 2021
Arbeitsgericht Emden,
Az.: 2 Ca 399/18
Teilurteil vom 9. November 2020
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