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Wie sind Überstunden gesetzlich geregelt?

Mehrarbeit in der Zahnarztpraxis

Wie sind Überstunden gesetzlich geregelt?

Sind im Arbeitsvertrag Überstunden nicht vertraglich vorgesehen, bist Du auch nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten.

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Die Kollegin hat Urlaub und gleich am Morgen kommen zwei Schmerzpatienten in die Praxis – das bedeutet viel Arbeit für Dich. Schnell summieren sich die Überstunden. Doch wie ist hier eigentlich die Gesetzeslage? Wie viele Überstunden sind erlaubt? Und wie werden diese ausgeglichen? DENTAL team hat Rechtsanwältin Jennifer Jessie von der Kanzlei Lyck + Pätzold die wichtigsten Fragen zum Thema Überstunden und Arbeitszeiterfassung gestellt.

Frau Jessie, wie sind Überstunden rechtlich definiert?

RAin Jennifer Jessie

Jennifer Jessie, Rechtsanwältin

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Jennifer Jessie: Mit Überstunden bezeichnet man die Arbeit, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht. Sind im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses zum Beispiel täglich 5 Stunden von 8:00 bis 13:00 Uhr vereinbart, sind die Arbeitszeiten, die nach 13:00 Uhr noch verrichtet werden, sog. Überstunden. Als Mehrarbeit wird demgegenüber die Arbeitszeit bezeichnet, die über die gesetzlich zulässige tägliche Arbeitszeit (Grundsatz nach § 3 ArbZG: 8 Stunden) hinausgeht.

Wie viele Überstunden sind erlaubt?

Jennifer Jessie: Eine Begrenzung von Überstunden ist im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen. Das bedeutet, dass Überstunden unbegrenzt zulässig sind, solange die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Grundsätzlich gilt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Im Arbeitsvertrag gibt es mehrere Gestaltungsmöglichkeiten, wie z. B. eine konkrete Angabe von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit oder der Angabe einer wöchentlichen Stundenanzahl, die sich nach den Gegebenheiten der Praxis orientiert. Die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes sind bei der Ausgestaltung immer zu berücksichtigen. Gibt es einen Tarifvertrag oder wird er wirksam in Bezug genommen, gelten die tarifvertraglichen Bestimmungen.

Und wenn in meinem Arbeitsvertrag nichts zu Überstunden steht?

Jennifer Jessie: Ist im Arbeitsvertrag das Ableisten von Überstunden nicht vertraglich vorgesehen, ist der Mitarbeiter auch nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Eine gesetzliche Ausnahme ist dann nur für unvorhersehbare Notfallsituationen (höhere Gewalt wie z. B. Erdbeben, Brand) oder außergewöhnliche Fälle vorgesehen (§ 14 ArbZG). Sollen Mitarbeiter zu Überstunden angehalten werden, kommt es auf die vertragliche Vereinbarung an.

Wenn eine ZFA Überstunden macht und diese erfasst worden sind, welche Rechte hat sie? Wie sind die Überstunden auszugleichen?

Jennifer Jessie: Wenn eine ZFA Überstunden leistet, kommt es zunächst darauf an, dass es sich um Arbeit handelt, die vom Arbeitgeber angeordnet, genehmigt oder zumindest stillschweigend geduldet wurde. Liegt dieser Fall vor, besteht regelmäßig auch eine Vergütungserwartung (§ 612 BGB). Ob eine anteilige Stundenvergütung zu erwarten ist oder ein Ausgleich der Überstunden durch Freizeitausgleich erfolgt, hängt zunächst von der vertraglichen Vereinbarung ab. Oftmals wird vereinbart, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden mit der vereinbarten Vergütung abgegolten ist und darüber hinausgehende Überstunden in Freizeit ausgeglichen werden.

Angenommen, im Arbeitsvertrag steht “Sämtliche Überstunden sind mit der Vergütung abgegolten”. Ist das zulässig?

Jennifer Jessie: Hier ist es wichtig, dass im Vertrag die Abgeltung der Überstundenvergütung auf ein bestimmtes Höchstmaß, z. B. bis zu 10-15 % der vereinbarten Arbeitszeit, begrenzt wird. Eine pauschale Abgeltung einer unbegrenzten Anzahl von Überstunden ist unzulässig.

Der Europäische Gerichtshof hat Anfang Mai in einem Urteil (C-55/18) entschieden, dass alle Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen. Was bedeutet das für die ZFA?

Jennifer Jessie: Das Urteil des EuGH zur systematischen Arbeitszeiterfassung hat aktuell noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Praxis. Die Mitgliedstaaten sind vielmehr aufgefordert, entsprechende Regelungen zu treffen. In welchem Umfang Zahnarztpraxen hiervon betroffen sein werden, wird sich daher noch zeigen. Bis dahin gilt alles wie bisher: Überstunden sind für ZFA nur dann verpflichtend abzuleisten, wenn dies vertraglich (Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag) vereinbart wurde oder – sofern keine vertragliche Vereinbarung vorliegt – es sich um eine Notfallsituation im Sinne von § 14 ArbZG handelt.

Hat die angestellte ZFA ein Recht darauf, dass ihre Arbeitszeit und ggf. ihre Überstunden erfasst werden?

Jennifer Jessie: Arbeitgeber sind verpflichtet, Überstunden zu dokumentieren und die Aufzeichnungen aufzubewahren (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Geleistete Überstunden sind auch zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen. Das heißt, Arbeitgeber müssen mit und ohne EuGH-Urteil bereits jetzt etwaige Überstunden/Mehrarbeit dokumentieren.

Geleistete Überstunden sind auch zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen. Damit die ZFA weiß, was auf sie zukommt, sollte hier eine klare Regelung getroffen werden. Dies betrifft vor allem die Praxen, die bereits ein Zeiterfassungssystem und Arbeitszeitkonten nutzen. Soll mit der normalen Vergütung bereits eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten werden, müssen Höchstgrenzen beachtet werden.

Sollten sich Arbeitsverträge dahingehend als lückenhaft oder unklar erweisen, empfiehlt es sich, ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber zu führen und/oder gleich rechtlichen Rat einzuholen.



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