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Fünfte deutsche Mundgesundheitsstudie

Gute Ergebnisse der DMS V

Fünfte deutsche Mundgesundheitsstudie

Dr. Rainer Jordan, Dr. Wolfgang Eßer, und Dr. Peter Engel (v.l.n.r.) stellten in Berlin die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) vor. Foto: Best

Mitte August wurde die lang erwartete Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) vorgestellt. Die wichtigsten Erkenntnisse: Der Kariesbefall ist in allen Altersgruppen weiterhin rückläufig, die Zahl der Parodontalerkrankungen hat abgenommen. Aber Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) üben angesichts der Ergebnisse auch Selbstkritik.

“Deutschland ist bei der Mundgesundheit führend, darauf können alle Zahnärzte, die hier praktizieren, stolz sein.” Mit diesen Worten leitete Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, seinen Beitrag bei der Pressekonferenz zur Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie, die in Berlin vorgestellt wurde, ein. So wurden fast alle Mundgesundheitsziele, die sich die BZÄK für das Jahr 2020 gesetzt hat, schon im Jahr 2016 erreicht.

DMS V Internationaler Vergleich

Parodontitis ist rückläufig

Besonders erfreulich: Die Zahl der Parodontalerkrankungen hat, allen Prognosen zum Trotz, abgenommen. Angesichts der Ergebnisse der Mundgesundheitsstudie IV aus dem Jahr 2005 hatten Experten einen Anstieg der Parodontitispatienten befürchtet. Die neue Studie zeigt jedoch: Der Anteil der 35- bis 44-Jährigen mit schwerer Parodontitis hat sich seit dem Jahr 2005 halbiert (DMS IV: 17,4 Prozent; DMS V: 8,2 Prozent). Dennoch ist jeder zweite jüngere Erwachsene von einer parodontalen Erkrankung betroffen, jeder zehnte sogar schwer. Der rückläufige Trend ergibt sich auch bei den älteren Menschen: In der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen leiden 19,8 Prozent an einer schweren Parodontitis (DMS IV: 44,1 Prozent).

Auf den ersten Blick sei es überraschend gewesen, dass die Parodontitis in allen Bereichen rückläufig war, sagte Engel. „Angesichts der Studienergebnisse in Bezug auf das Mundgesundheitsbewusstsein und -verhalten der Bevölkerung waren die Ergebnisse dann doch nicht mehr eine so große Überraschung.“ Denn die bessere Mundhygiene der Deutschen hat offenbar dazu beigetragen, dass die Parodontitis zurückgegangen ist. So gehen Patienten beispielsweise häufiger zur Professionellen Zahnreinigung. Trotz des Rückgangs der Parodontitis haben sich die allgemeinmedizinischen Risikofaktoren nicht vermindert. Das heißt: „Ernährung, Übergewicht, Diabetes, soziales Verhalten oder auch Stress sind nicht zurückgegangen.“ Zukünftige Forschungen müssten versuchen, diesen Umstand zu erklären.

Mehr zu tun in der Alterszahnheilkunde

Aber obwohl die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankungen abgenommen hat, rechnen die Studienautoren aufgrund der demografischen Entwicklung und der Altersabhängigkeit der Erkrankung mit einem steigenden Behandlungsbedarf. Krankheitslasten verschieben sich ins höhere Lebensalter: Ältere Senioren (75- bis 100-Jährige) hatten im Jahr 2014 einen Mundgesundheitszustand wie die jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) im Jahr 2005. Man spricht hier von einer Morbiditätskompression. „Wir werden als Zahnärzte also nicht bald arbeitslos“, blickte Engel augenzwinkernd in die Zukunft.

Noch weniger Karies bei Kindern

„Im Vergleich zu den ersten deutschen Mundgesundheitsstudien im Jahr 1989 für Westdeutschland beziehungsweise 1992 für die neuen Bundesländer ist es bei den Kindern mittlerweile zu einem Kariesrückgang von 90 Prozent gekommen“, schilderte PD Dr. Rainer Jordan, wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). „Im internationalen Vergleich gibt es derzeit keine aktuellen Untersuchungen, in denen in einem Land ein niedrigerer Wert zur Zahnkaries bei Kindern berichtet wird als in Deutschland.“ Die Einführung der Individual- und Gruppenprophylaxe mit Fissurenversiegelungen sei ein entscheidender Faktor in dieser Entwicklung gewesen. Das sehe man auch anhand des nachhaltigen Kariesrückgangs bei Erwachsenen; sie wiesen heute fast fünf Zähne weniger mit Karieserfahrung auf.

DMS V Entwicklung Karieserfahrung DMFT Kinder

Die eigene Zahngesundheit ist den befragten Menschen in Deutschland sehr wichtig. Mehr als drei von vier Befragten gehen regelmäßig zur Kontrolle zum Zahnarzt. Vor allem in Bezug auf die jüngeren Senioren lässt sich ein deutlicher Trend erkennen: Im Vergleich zum Jahr 1997 hat sich die Zahl der Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren mit einer guten Mundhygiene fast verdreifacht (32 Prozent). Etwa jeder vierte Senior in diesem Alter gibt an, regelmäßig eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus hat sich die Zahl älterer, völlig zahnloser Menschen in den vergangenen Jahren halbiert: War 1997 noch jeder vierte Senior zahnlos, ist es heute nur jeder achte.

Sehr alte Menschen in der zahnärztlichen Betreuung untersucht

Zum ersten Mal wurden innerhalb der Deutschen Mundgesundheitsstudie auch sehr alte Menschen im Alter von 75 bis 100 Jahren und pflegebedürftige Senioren untersucht. „Gerade in Anbetracht des demografischen Wandels müssen wir ältere und pflegebedürftige Menschen in unseren Fokus rücken“, betonte Engel. Denn vor allem diese wachsende Bevölkerungsgruppe stelle eine besondere Herausforderung für die zahnmedizinische Versorgung dar. Rund ein Drittel der pflegebedürftigen Senioren kann die Zähne nicht mehr eigenständig reinigen. Sie weisen eine deutlich höhere Karieserfahrung auf, jeder zweite Pflegebedürftige ist komplett zahnlos. Zum Vergleich: Bei den Senioren, die nicht pflegebedürftig sind, ist es nur jeder Dritte. Hinzu kommt, dass 60 Prozent der Menschen mit Pflegebedarf nicht mehr in der Lage sind, eigenständig einen Zahnarzttermin zu organisieren oder auch selbstständig eine Praxis aufzusuchen.

DMS V Mundgesundheit ältere Senioren Pflegebedarf

Konsequenzen der DMS V

Auch wenn die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie überwiegend erfreulich für BZÄK, KZBV und die Zahnarztpraxen allgemein sind, zeigen sie auch Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht. Die zuständigen Gremien zeigten sich selbstkritisch. „Die Studienergebnisse belegen: Es gibt differenzierbare Bevölkerungsgruppen, die nicht am hohen Versorgungsniveau partizipieren können“, sagte Engel. „Das sind die Pflegebedürftigen, das sind die Menschen mit Behinderungen, das sind die sozial Schwachen und die Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund.“ Zwar seien einige konkrete Pläne schon auf dem Weg der Umsetzung, beispielsweise durch das „A und B Konzept für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung“ oder durch die etwa 3.000 Kooperationsverträge, die mittlerweile zwischen Zahnärzten und Pflegeheimen geschlossen wurden. Trotzdem: „Neue Versorgungskonzepte müssen her“, forderte Eßer. Auch in der Aus- und Fortbildung müssten noch mehr Angebote im Bereich der Senioren- und Alterszahnmedizin geschaffen werden. Engel: „Zudem muss auch die universitäre Ausbildung angepasst werden.“ Das heißt, es bedarf wesentlich mehr Lehrstühle im Bereich Alterszahnheilkunde in Deutschland.

Zur Studie

Die Untersuchung wurde durch das IDZ, die BZÄK und die KZBV durchgeführt. 1989 wurde die erste Mundgesundheitsstudie durchgeführt. Die Studie ist auch deshalb einzigartig, weil sie repräsentativ die Mundgesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland darstellt. Für die fünfte Mundgesundheitsstudie wurden insgesamt 4.609 Probanden untersucht. Neben einer klinischen Untersuchung, die vor allem die Haupterkrankungen Karies, Parodontitis und das Ausmaß der Zahnverluste dokumentierte, wurden die Probanden auch nach soziodemografischen Parametern befragt.

Die DMS V soll des Weiteren als Grundlage für weitere Untersuchungen dienen. Jordan: „Im nächsten Schritt möchten wir nun eine Auswertung der Daten in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund unternehmen.“

Die BZÄK stellt die Zusammenfassung der DMS V als PDF bereit unter https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/dms/Zusammenfassung_DMS_V.pdf



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