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Neues zur DH-Ausbildung in Baden-Württemberg

Theoretische und praktische Fähigkeiten stärken

Neues zur DH-Ausbildung in Baden-Württemberg

Im Interview erläutern Dr. Bernd Stoll (l.) und Prof. Johannes Einwag die Novellierung der Aufstiegsfortbildung in Baden-Württemberg. (©ZFZ Stuttgart)

Die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg geht neue Wege: Ab sofort gibt es dort die Aufstiegsfortbildung zur „DH Professional“, die die bisherige Fortbildung zur Dentalhygienikerin ablöst. Was genau hinter dieser Entscheidung steht, darüber sprachen Prof. Dr. Johannes Einwag, Fortbildungsreferent der LZK Baden-Württemberg, und Dr. Bernd Stoll, Referent für Zahnmedizinische Mitarbeiterrinnen der Kammer.

Warum wurde die DH Professional in Baden-Württemberg notwendig?

Einwag: Es war an der Zeit, diesen Pfad einzuschlagen. Wir bieten in Baden-Württemberg seit 1994 die Aufstiegsfortbildung zur DH – sehr erfolgreich – an. In dieser Zeit haben sich nicht nur die fachlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich geändert. Natürlich wurden Fortbildungsinhalte und -ordnung auch in Baden-Württemberg in dieser Zeit ständig optimiert, auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat ja mit einer neuen Muster-Fortbildungsordnung auf Neuerungen reagiert. Doch gerade dem aktuellen Trend zur Akademisierung der DH-Fortbildung hat uns in unserem Beschluss bekräftigt: Mit der DH Professional zeigen wir, dass für uns das über allen Fortbildungsbestrebungen stehende Ziel des Patientenschutzes nicht mit einer theoretischen Orientierung, sondern nur durch eine praktische Ausbildung gewährleistet werden kann.

Wie genau unterscheidet sich die DH Professional von der bisherigen DH-Aufstiegsfortbildung?

Einwag: Das Ziel des Patientenschutzes über eine optimale Betreuung des Praxisteams kann unserer Meinung nur durch Mitarbeiter erreicht werden, die sowohl theoretische als auch praktische Fertigkeiten besitzen. Mit der Bezeichnung DH Professional wollen wir gerade die praktischen und auch kommunikativen Handlungsfähigkeiten der DH herausstellen. Konkret neu ist die aktualisierte Fortbildungsordnung für die DH, die zudem den neusten Erkenntnissen angepasst wurde – etwa in den Bereichen Hygiene, Röntgen, Qualitätsmanagement oder der Abrechnung. Diese Anpassungen sind ein laufender Prozess.

Stoll: Zudem haben wir nicht nur die DH-Aufstiegsfortbildung in unserer Kammer novelliert. Wir haben sämtliche Aufstiegsfortbildungen – von den Basiskursen über die Zahnmedizinische Fachassistentin (ZMF) und die Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin (ZMP) bis hin zur Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin (ZMV) – auf den neuesten Stand gebracht und die unterschiedlichen Funktionen genau definiert. Dies alles konnten wir mit der Vertretung der Arbeitnehmer/innen im Berufsbildungsausschuss erreichen.
Dabei haben Sie die Aufstiegsfortbildung Ihrer Kammer als erste in Deutschland an den europäischen und den deutschen Qualifikationsrahmen angepasst. Was bedeutet das für Ihre Fortbildungsangebote?
Stoll: Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) ist ein Instrument zur Einordnung der Qualifikationen des deutschen Bildungssystems. Er soll zum einen die Orientierung im deutschen Bildungssystem erleichtern und zum anderen zur Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beitragen. Um transparenter zu machen, welche Kompetenzen im deutschen Bildungssystem erworben werden, definiert er acht Niveaus, die den acht Niveaus des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) zugeordnet werden können. Der EQR dient als Übersetzungsinstrument, das hilft, nationale Qualifikationen europaweit besser verständlich zu machen. Als nationale Umsetzung des EQR berücksichtigt der DQR die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems und trägt zur angemessenen Bewertung und zur Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa bei.
Der DQR ist mit Wirkung vom 1. Mai 2013 in Kraft getreten. Die Musterfortbildungen der BZÄK sowie die Fortbildungsordnungen der Landeszahnärztekammern wurden aber bereits früher verabschiedet. Folglich müssen sowohl die Musterfortbildungsordnungen der BZÄK wie auch der Landeszahnärztekammern erst angepasst werden, bevor überhaupt eine „Verortung“ – so der Fachbegriff – der einzelnen Berufsbilder beziehungsweise der darauf aufbauenden Qualifikationen im DQR möglich ist. Auf Bundes- wie auf Landesebene Baden-Württemberg wurden hierfür die erforderlichen Vorarbeiten geleistet und mithin die Weichen gestellt, um die nunmehr vorliegenden Ordnungen in moderner Darstellung handlungsorientiert und aktuell zu beschreiben. Das Niveau einer Qualifikation wird hierbei durch Kompetenzen in Form von Lernergebnissen auf fachlichen und personalen Ebenen beschrieben. Für die Zahnmedizin verortet ist bisher die Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) auf Level 4. ZMP/ZMF/ZMV sollen – entsprechend der Kompetenzbeschreibung – auf Level 5, die DH Professional sowie der Dentale Fachwirt auf Level 6 (und das entspricht Bachelor-Niveau) verortet werden.

Den Dentalen Fachwirt haben Sie bereits angesprochen. Warum haben Sie damit noch eine weitere Möglichkeit der Aufstiegsfortbildung in Ihrer Kammer geschaffen?

Stoll: Die Fortbildung zur/zum Dentale/n Fachwirt/in  bietet das Pendant zur Dentalhygienikerin als höchste Ebene des Fortbildungssystems – nur eben im Bereich des Verwaltungsbereichs. Die neue Aufstiegsfortbildung ist oberhalb der ZMV angelegt, die gleichzeitig Zugangsvoraussetzung ist. In der Vergangenheit kamen bereits ZMV auf uns zu und fragten nach Möglichkeiten, sich weiter fortbilden zu können. Die neue Fortbildung „Dentale/r Fachwirt/in“ stellt nunmehr die konsequente und logische Fortführung der Angebote im Verwaltungsbereich dar und komplettiert optimal unsere bestehende Fortbildungslandschaft.

Mit ihren Aufstiegsfortbildungen, insbesondere mit der DH Professional, verstärkt die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (LZK BW) noch mehr die Abgrenzung zur Bachelor-DH. Ist in der Fortbildungslandschaft nicht Platz für beides? Und sind beide Angebote nicht sogar nötig? Immerhin wird immer wieder beklagt, dass es zu wenig Dentalhygienikerinnen geben würde – insbesondere um die Nachfrage der zu erwartenden Paro-Patienten in den kommenden Jahren adäquat befriedigen zu können.
Einwag: Das ist eine berechtigte Frage. Natürlich ist unbestritten, dass der demografische Wandel für die Zahnmedizin eine Herausforderung darstellt. Die Patienten werden immer älter und wollen ihre Zähne länger behalten. Das wird zwangsläufig zu einer Zunahme an Parodontalerkrankungen führen. Gerne wird ja von 50 Millionen potenziellen Paro-Patienten geredet. Schauen wir uns die Zahlen aber einmal genauer an. Nur ein geringer Anteil dieser Patienten wird im kompletten Gebiss mit einer schweren Form einer chronischen oder aggressiven Parodontitis zu kämpfen haben. Für die Nachsorge bei diesen Patienten  brauchen wir die Dentalhygienikerinnen. Der größere Anteil der Patienten hat aber leichte oder mittelschwere parodontale Probleme an einzelnen Zähnen. Diesen Part der Nachsorge können auch gut qualifizierte ZMF und ZMP übernehmen.
In Baden-Württemberg wurden seit Bestehen der Aufstiegsfortbildung 25 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Prävention qualifiziert: 22 500 „Prophylaxehelferinnen“, 2 000 ZMP/ZMF plus 400 Dentalhygienikerinnen – mit steigender Tendenz. Pro Jahr sind dies aktuell im Durchschnitt 900 „Prophylaxehelferinnen“, 100 bis 120 ZMP/ZMF und 20 Dentalhygienikerinnen – zumindest für die 6000 Praxen in Baden-Württemberg eigentlich ausreichend qualifiziertes Prophylaxepersonal. Hinzu kommt, dass ein Großteil der bei uns ausgebildeten ZMF/ZMP und DH´s in mehreren Praxen tätig sind, da sie aufgrund ihrer speziellen Qualifikation in einer Praxis alleine nicht ausgelastet sind. Angesichts derartiger Zahlen kann wohl kaum von einer Unterversorgung gesprochen werden.

Stoll: Es sollte auch nicht vergessen werden, dass eine Bachelor-DH und eine DH Professional Professional im Rahmen der gesetzlichen Betrachtung auf der gleichen Stufe stehen. So wie es Zahnheilkundegesetz und Delegationsrahmen vorsehen. Darüber hinaus ist das Angebot der DH Professional unserer Meinung nach gegenüber dem Bachelor-DH nicht nur qualitativ besser, sondern auch finanziell attraktiver. Die Aufstiegsfortbildung ist eine Stufenfortbildung und „für alle da“ – unabhängig von Alter, Familienstand, Bildungsabschluss und finanzieller Situation. Die Fortbildung bietet auch „Babypausen“ oder „Pflegepausen“, ohne dass bisher erlangte Qualifikationen verloren gehen. Wenig bekannt ist außerdem, dass wir die DH Professional innerhalb von 3,5 Jahren – inklusive ZFA-Ausbildung – erreicht werden kann, insofern eine echte Alternative zum Studium für Absolventen mit Hochschul- oder Fachhochschulreife.

Wenn die DH Professional ab sofort gilt, was ist dann mit den „alten“ Dentalhygienikerinnen, die sich durch die bisherige Aufstiegsfortbildung qualifiziert haben.

Einwag: Wer von den bereits fortgebildeten DH den Wunsch hat, auch den Titel der DH Professional zu tragen, kann sich für eine Anpassungsfortbildung anmelden, die wir zu diesem Zweck anbieten werden.

Die LZK BW ist mit der DH Professional bundesweit wieder einmal Vorreiter. Wie sind die Reaktionen der anderen Kammern?

Einwag: Die DH Professional ist nur ein Modell der Qualifikation zur DH in Deutschland. Da Fortbildung immer noch Ländersache ist, stehen die anderen Kammerbereiche in keinster Weise unter Zwang, den gleichen Weg zu gehen. Aber natürlich sind wir immer gesprächsbereit, wenn es um die Unterstützung der Kollegen in den Landeszahnärztekammern geht. Bevor wir den neuen Weg eingeschlagen haben, gab es auch in der LZK BW konstruktive Diskussionen. Am Ende wurden die Beschlüsse zur DH Professional und zum Dentalen Fachwirt  jedoch einstimmig von der Vertreterversammlung verabschiedet.


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