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Ergonomie am Arbeitsplatz

Schmerzen vermeiden

© Gehlen

Eine gebückte Arbeitshaltung, der Einsatz von vibrierenden Instrumenten und Stress: Praxismitarbeiterinnen sind oft einer hohen körperlichen Belastung ausgesetzt. Um Schäden und Krankheiten zu vermeiden, ist eine ergonomische Haltung und Arbeitsweise entscheidend.

Nach einem langen Tag am Behandlungsstuhl schmerzen Rücken und Handgelenke: Fast jede Dentalhygienikerin oder Prophylaxeassistentin hat eine solche Erfahrung schon gemacht. Ungünstige Arbeitspositionen und Bewegungsabläufe können zu Rückenbeschwerden führen oder auch zu Schmerzen in den Handgelenken.

In einer australischen Studie von 2009 gaben zwei Drittel der Dentalhygienikerinnen an, besonders an Erkrankungen der Muskeln, Sehnen und Nerven der Hände und Handgelenke zu leiden. Häufig kommt es dort zu einer Sehnenscheidenentzündung oder Beugesehnenscheidenentzündung. Eine Sehnenscheidenentzündung äußert sich durch Schmerzen an Hand oder Handgelenk, eine Beugesehnenscheidenentzündung führt zu Schmerzen unterhalb der Hohlhandbeugefurche und zu einer Steifigkeit der Finger.

Taubheitsgefühle, Taststörungen, Missempfindungen

Auch die Nerven in den Händen können in Mitleidenschaft gezogen werden. Beim Karpaltunnelsyndrom etwa kommt es zu einer Einengung des Medianus-Nervs, des mittleren Armnervs. „Das Syndrom kann sich durch zu starkes Instrumentieren aus dem Handgelenk entwickeln“, erklärt Tanja Lüders. Die Denthalhygienikerin ist seit über 20 Jahren in der Praxis und der Fortbildung tätig – vor allem mit Schwerpunkten in Prophylaxe und Parodontologie.
Als zertifizierte Ausbilderin und Referentin setzt sie sich auch intensiv mit dem Thema Ergonomie auseinander und erklärt, wie man möglichst gesundheitsschonend arbeitet. Verantwortlich für die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms sind meist die gebeugte Haltung der Handgelenke genauso wie das kraftvolle Einsetzen schmaler und vibrierender Instrumente. „Das führt zu häufigem Einschlafen der Hände, Taubheitsgefühlen, Taststörungen und Missempfindungen in den Händen“, erzählt sie.

Richtigerweise sollte man mit der Hebelwirkung arbeiten und eben nicht aus dem Handgelenk, empfiehlt die Expertin, die auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main (11. bis 12. November) einen Vortrag zum Thema „Erfolgreicher Start in die Prophylaxesitzung: Ergonomie und die optimale Instrumentierung praktisch!“ hält.

Arbeitsprozesse gestalten

Ergonomie bedeutet im Grunde so viel wie „Arbeitsgesetz“. Dabei geht es darum, Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass sie effizient, aber gleichzeitig gesundheitsschonend für den Ausführenden sind, sodass dieser der Tätigkeit möglichst lange nachgehen kann. Ergonomie-Experten differenzieren im Fall von Zahnarztpraxen folgende Bereiche: erstens die Umgebung, also den Raum, das Licht, die Luft und die elektromagnetische Belastung, zweitens den Arbeitsplatz, also die ergonomische Gestaltung von Geräten und Möbeln.

Drittens sollten neben dem Arbeitsplatz auch alle Beteiligten im Fokus stehen, also der Behandler, die Assistenz und das Personal. Keiner der Beteiligten sollte zu Zwangshaltungen genötigt sein. Um das zu garantieren, muss eine optimale Patientenlagerung gewährleistet sein.

Der vierte und letzte Bereich umfasst den Prozess, also den Ablauf der Behandlung, die Gestaltung von Pausen und Ausgleich. Dabei sind Abwechslung innerhalb der Behandlungsabläufe, stündliche Pausen von zwei bis fünf Minuten mit Ausgleichsübungen und echte Mittagspausen ohne Arbeitstouch sehr wichtig.

Auf einige der beschriebenen Bereiche hat die Praxismitarbeiterin natürlich nur bedingt oder gar keinen Einfluss. Deshalb geht Lüders in ihren Vorträgen vor allem auf die richtige Position am Behandlungsstuhl ein.

Die richtige Position

Häufig gewöhnt sich die DH oder ZMP eine ungünstige Haltung und einen falschen Bewegungsablauf schon früh im Berufsleben an. Fehlende Beinfreiheit bei vielen herkömmlichen Behandlungseinheiten kann zudem dazu führen, dass sich Assistenz und Behandler ins Gehege kommen und dadurch beide in unnatür‧lichen Positionen arbeiten.

Wie die richtige Position am Behandlungsstuhl ist, erklärt Lüders: „Zahnarzt und Assistentin sollen miteinander sitzen, also nebeneinander, Bein an Bein, unter dem Kopf des Patienten. Der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel sollte circa 105 Grad betragen und die Füße sollten in der gleichen Ebene wie die Unterschenkel stehen – dass heißt, keine Entenfüße machen.“

Denn die primäre Ursache der meisten Beschwerden ist eine falsche Arbeitshaltung – also etwa mit rundem Rücken gebeugt über dem Patienten sitzen oder während der Behandlung die Schultern nach oben ziehen. „Aus der Haltung mit verkraften Schultern können Myogelosen die Folge sein, die sich als tastbare Verhärtungen in der Muskulatur mit entsprechendem Dauerschmerz äußern“, sagt Lüders. „Zudem können Schulter- und Muskelverspannungen im äußersten Fall zu Kopfschmerzen und zu abnehmender Konzentrationsfähigkeit und Ermüdung führen.“

Neben der richtigen Haltung sei auch die Instrumentierung beim ergonomischen Arbeiten am Behandlungsstuhl entscheidend, berichtet die Expertin: „Insbesondere im Oberkiefer palantinal sollte das Arbeiten über den Untersuchungsspiegel mit indirekter Sicht erfolgen.“ Zudem sollte die Instrumentierung, wie bereits erwähnt, möglichst in der Zwölf-Uhr-Position hinter dem Patienten erfolgen. Sie ist die einfachste und gesündeste Art, um zu arbeiten. „Dabei ist der Oberkiefer des Patienten so zu lagern, dass die Kauflächen senkrecht zum Boden liegen“, so Lüders. Dadurch ergeben sich eine ausgewogene Arbeitshaltung und einfache Arbeitsbewegungen unter visueller Kontrolle, die ungeschickte Verrenkungen ersetzten.

Sport als Ausgleich

Doch nicht nur die Arbeitsweise ist verantwortlich für muskuläre Krankheitsbilder von zahnärztlichem Fachpersonal. Auch die Auswirkungen von Stressoren sollten beachtet werden. Stress steht im direkten Zusammenhang mit dem Empfinden von körperlichen Schmerzen. Das geht aus Untersuchungen der Normalbevölkerung genauso hervor wie aus Studien zu zahnärztlichen Berufskrankheiten (vgl. Meyer, Brehler, Castro, Nentwig 2001). Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Intensität der Schmerzen und dem Belastungsgrad des Betroffenen.

Deshalb ist eine professionelle Therapie schon bei den kleinsten Symptomen wichtig, damit keine chronischen Schäden auftreten oder eine längere Krankheit. Lüders empfiehlt zur Vor- und Nachsorge unter anderem ergonomische Fortbildungen und bei Beschwerden wenn möglich physiotherapeutische Behandlung. Tägliches Dehnen besonders im Nacken- und Schulterbereich sei zudem eine gute Maßnahme.

Denn Lüders weiß: „Selbst bei korrektester Arbeitshaltung ist eine einseitige und daher belastende Haltung in unserem Beruf unumgänglich, sie führt zu verstärkten muskulären Beanspruchungen. Darum benötigen wir eine Regenerationsphase: Bewegung als Prävention und tägliche Ausgleichsübungen.“

Jede Art von sportlicher Aktivität ist gut. Ideal sind Sportarten und Aktivitäten, die Belastungen nicht noch verstärken, sondern echter Ausgleich sind wie etwa Nordic Walking, Joggen, Fahrradfahren und Schwimmen. Nur bei aktivem Ausgleich zu der einseitigen Arbeitsbelastung sind die negativen Langzeitfolgen vermeidbar. Auch Entspannung und geistiger Ausgleich sind wichtig.
Viele Praxen hätten mittlerweile die Kostenübernahme oder eine gewisse Beteiligung an Sporteinrichtungen, Massagen, Fitnessstudios auf ihrer Agenda, sagt Lüders: „Denn erkrankte Mitarbeiter suchen oft den Ausweg in die Abrechnung oder ins Qualitätsmanagement. Im schlimmsten Fall droht sogar die Berufsaufgabe, und das will kein Arbeitgeber.“



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