Wenn Patienten mit herausgeschlagenem Zahn als Notfall in die Praxis kommen, ist die Aufregung groß. Bei einem Zahntrauma ist es wichtig, zu wissen: Der Zeitpunkt und die Qualität der Erstbehandlung beeinflussen die Langzeitprognose des Zahnes.
Besonders Frontzahntraumata sehen erschreckend aus. Blut tropft aus dem Mund und der Lippe, der Betroffene und Angehörige stehen unter Schock. Wichtig für die erstbehandelnde Zahnarztpraxis ist nun, richtig zu reagieren. Der Verlust der Frontzähne tritt häufig auf. Etwa 55 von 100 Kindern in Europa und in den USA erleiden vor ihrem 16. Lebensjahr ein Frontzahntrauma. Auf diese Daten verwies Dr. Karina Obreja in ihrem Vortrag auf dem Deutschen Zahnärztetag. Sie arbeitet als Oberärztin am Carolinum, dem Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Frankfurt.
In welchem Alter entstehen Frontzahntraumata? In der Klinik hat sich das Credo bewahrheitet: “Wenn sie laufen lernen, raufen lernen und saufen lernen.” Jungen erleiden häufiger ein Frontzahntrauma als Mädchen. Mit Abstand am häufigsten betroffen sind die Frontzähne im Oberkiefer, gefolgt von den Frontzähnen im Unterkiefer. Im Milchzahngebiss ist der Knochen noch weicher, hier kommt es meist zu Dislokationsverletzungen, bei denen der Zahn aus der Achse herausgeschlagen wird. Komplett herausgeschlagene Milchzähne werden nicht wieder eingepflanzt. Auch Zahnfrakturen treten auf. Bei älteren Kindern und Jugendlichen führt oft ein Sportunfall zu der Verletzung. Am häufigsten beim Fußball oder als Folge von Unfällen beim Fahrradfahren und im Schwimmbad. “Ich empfehle, einen Mundschutz zu tragen”, rät Dr. Karina Obreja.
Wie transportiere ich einen herausgeschlagenen Zahn?
Liegt der Zahn herausgeschlagen auf dem Boden, müssen die Helfer vor Ort schnell handeln: Der ausgeschlagene Zahn darf für den Transport zum Zahnarzt nicht gesäubert und nicht in ein Papiertuch gewickelt werden, denn dort trocknet er schnell aus. Außerdem darf er nur im Kronenbereich angefasst werden, damit die Zellen auf der Wurzeloberfläche geschützt werden. Am besten wird der herausgeschlagene Zahn in gekühlte H-Milch gelegt. “Die gibt es in jedem Café und an jeder Tankstelle. Darin kann der Zahn bis zu zwei Stunden überleben”, sagt Dr. Karina Obreja. Noch besser ist eine Dentosafe-Zahnrettungsbox, in der der Zahn in ein Nährmedium gelegt wird und bis zu 24 Stunden überlebt. Weniger gut (aber immer noch besser als das Taschentuch) eignen sich Kochsalzlösung und Leitungswasser.
Was ist bei der Anamnese zu beachten?
Kommt der Patient in die Praxis gilt: Die Qualität der Erstbehandlung beeinflusst die Langzeitprognose des Zahnes. Zur Anamnese gehört auch, nach Kopfschmerzen, Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Amnesie und Blutungen aus Nase und Ohren zu fragen. Bei Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma hat dieses Vorrang und der Patient muss in die nächstgelegene Klinik überwiesen werden. Allerdings ist der Behandler, den der Traumapatient zuerst aufgesucht hat, dafür verantwortlich, den Zahn richtig zu lagern. Zur leichteren Anamnese ist es sinnvoll, mit standardisierten Bögen, wie sie z. B. die DGZMK anbietet, zu arbeiten oder diese entsprechend der eigenen Bedürfnisse abzuändern. Insbesondere bei Weichteilverletzungen, wie der Lippe, sollte man den Patienten nach seinem Tetanusschutz fragen und bei Unklarheit den Hausarzt hinzuziehen. Im Hinblick auf versicherungstechnische Fragen ist es sinnvoll, den Anfangsbefund und auch die Nachkontrollen gut zu dokumentieren.
Welche Formen eines Zahntraumas gibt es?
Neben der Avulsion, bei der der Zahn vollständig herausgebrochen ist, kann eine Dislokation vorliegen. “Bei der Dislokation ist meist die Pulpa mit abgerissen und bei einem Sturz beobachtet man häufig eine Verschiebung der Zahnkrone nach palatinal. Dann wird der Zahn repositioniert”, erklärt Dr. Karina Obreja. Bei der Extrusion ist der Zahn ist aus der Alveole herausgekommen und die Zahnkrone erscheint verlängert. Diese Fälle benötigen im Nachgang eine Wurzelkanalbehandlung. Der schlimmste Fall eines Frontzahntraumas ist nach den Erfahrungen der Frankfurter Oberärztin die Intrusion, bei der der Zahn in den Alveolarknochen hinein verlagert wird und verkürzt bzw. verkeilt erscheint.
Weiterführende Informationen zum Zahntrauma findet Ihr u. a. auf der Website der Bayerischen Landeszahnärztekammer und auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG).
KEINE KOMMENTARE