Seit der Delegationsrahmen im Jahr 2009 erhoben und im Jahr 2021 erneut überprüft wurde, hagelt es ständig Kritik vonseiten der Betroffenen. Mariette Altrogge und Celina Gaar, Dentalhygienikerinnen und Vorstandsmitglieder des VDDH, klären über die bestehenden Problematiken auf und zeigen mögliche Lösungswege aus dem Dilemma.
Die Delegationsmöglichkeiten für Zahnmediziner:innen an ihre Mitarbeiter:innen sind sehr vielfältig. Was muss dabei beachtet werden?
Gaar: Das Zahnheilkundegesetz gibt vor, dass zahnärztliche Leistungen an Mitarbeitende mit abgeschlossener Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten – ZFA – oder Zahnarzthelferin mit der entsprechenden Qualifikation delegiert werden können. Ich habe den Eindruck, als würden viele Zahnmediziner:innen den Delegationsrahmen frei interpretieren. Nachdem die Fortbildungen sich zwischen den Instituten, Bundesländern und Kammern auch unterscheiden, beispielsweise im zeitlichen Umfang, ist es selbst für den Praxisinhaber/die Praxisinhaberin schwierig, die Patientensicherheit zu gewährleisten. Ich höre immer mal wieder von meinen DH-Kolleginnen, dass sie bei Bewerbungsgesprächen den Unterschied einer DH zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistenz – kurz ZMP – erklären müssen. Das ist wirklich schade.
Altrogge: Um die Sicherheit der Patienten:innen gewährleisten zu können, muss in meinen Augen unbedingt darauf geachtet werden, dass delegierbare Aufgaben auch nur von wirklich dafür qualifiziertem Fachpersonal ausgeführt werden. Schließlich bleibt nach wie vor der Zahnarzt für die an die Fachkraft delegierten Tätigkeiten haftbar – auch bei DHs. Es liegt daher in seiner Verantwortung und in seinem Interesse, zweifelsfrei sicherzustellen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten und alle delegierten Aufgaben korrekt und kompetent ausgeführt werden. Dafür sind eine klare Kommunikation zwischen den Behandlern sowie eine sorgfältige Behandlungsdokumentation unerlässlich.
Was darf alles delegiert werden?
Altrogge: Ein Zahnarzt/eine Zahnärztin darf Aufgaben an sein/ihr Personal delegieren, die keine eigenständige Diagnose, Therapieentscheidung oder invasive Eingriffe beinhalten. Dazu gehören neben administrativen Aufgaben und der Behandlungsvorbereitung beziehungsweise Assistenz auch das selbstständige Übernehmen von Aufgaben in der zahnmedizinischen Prophylaxe und Parodontologie.
Gaar: Ganz konkret sind das die folgenden Aufgaben: Dokumentationen, Erstellung von Röntgenaufnahmen, Herstellung von Situationsabformungen, einige Aufgaben im konservierenden, prophetischen und kieferorthopädischen Fachbereich sowie in der Prävention von Karies und Parodontitis.
Das Thema Delegationsrahmen erhitzt immer wieder die Gemüter. Könnt ihr kurz erklären, worin ihr dabei die Problematik seht?
Altrogge: Meiner Ansicht nach besteht das größte Problem in den Unklarheiten darüber, welche Aufgaben an wen genau delegiert werden dürfen. Hierbei wird sich immer auf das ZHG § 1 Abs. 5 und 6 bezogen, wonach ‚dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dentalhygienikerin […]‘ einige genannte Leistungen erbringen dürfen. Allerdings steht es dem Zahnarzt/der Zahnärztin frei zu entscheiden, wie qualifiziert sein/ihr Personal ist und welche Aufgaben er/sie auf dieser Grundlage delegiert. Und da in manchen Praxen leider die ökonomischen Interessen an oberster Stelle stehen, wird genau das auch ausgenutzt. So kann es vorkommen, dass dann eher eine ‚günstige‘ ZFA für die Prophylaxe eingesetzt wird als eine DH. Das führt natürlich zu viel Frust bei denen, die viel Geld und Zeit in eine Aufstiegsfortbildung investiert haben.
Gaar: Das Zahnheilkundegesetz – kurz ZGH – wurde zuletzt 1987 ‚neuverfasst‘, also vor mehr als 35 Jahren. Daher entspricht es nicht mehr der heutigen Zeit und ist folglich auch nicht mehr ‚state of the art‘. Abgesehen davon stimmen Vorgaben aus dem Zahnheilkundegesetz nicht mit den Richtlinien der Krankenkassen überein, beziehungsweise lassen sie sich nicht problemlos in den Praxisalltag integrieren. Im ZHG steht auch explizit, dass die Zahnmedizinische Fachangestellte – ZFA –, die Zahnmedizinische Prophylaxeassistenz – ZMP –, die Zahnmedizinische Fachassistenz – ZMF – und auch die Dentalhygienikerin – DH – keine approbierten Heilberufe sind. Ferner sind sowohl ZMP, ZMF als auch DH in Deutschland keine definierten Berufsbilder, sondern erreichte Qualifikationen beziehungsweise sogenannte Aufstiegsfortbildungen. Das gilt auch für den Bachelor als Abschluss im Studiengang Dentalhygiene. In Deutschland wurde im Zusammenhang mit der Gesundheitsstrukturreform im Jahre 1992 entschieden, neben der ZFA kein weiteres Berufsbild zu etablieren, sondern weiterführende Qualifikationen auf dem Berufsbild der ZFA im Rahmen der Fortbildung aufzubauen.
Was wäre in euren Augen eine sinnvolle Lösung?
Gaar: Für mich ist das ganz klar eine komplette Neuauflage des Zahnheilkundegesetzes.
Altrogge: Außerdem ein neuer Delegationsrahmen, aus dem exakt hervorgeht, welche Aufgaben mit welcher Qualifikation übernommen werden dürfen. Das könnte einem ‚Missbrauch‘ der Delegationsfähigkeit weitestgehend vorbeugen. Hilfreich wäre auch eine klarere Abgrenzung der zahnmedizinischen Berufsbilder.
Thema Aufstiegsfortbildungen: Gibt es nicht bereits unterschiedliche Qualifikationsstufen und Aufgaben, die nur bei Erreichen einer entsprechenden Qualifikation ausgeübt werden dürfen?
Altrogge: In der Theorie ja, leider sieht es dann in den Praxen meistens anders aus. Mal abgesehen davon, dass die Patienten die Unterschiede in den Fortbildungsberufen gar nicht kennen und sogar vielen Zahnärztinnen und Zahnärzten nicht klar ist, was eine DH überhaupt ist und über welch umfangreiches Wissen und natürlich auch Können sie verfügt.
Wie ist das bei euch in den Praxen geregelt?
Gaar: In meiner Praxis sind ausschließlich DHs in der Prophylaxe angestellt. Mein Chef ist Parodontologe und wir arbeiten auf Augenhöhe und besprechen Fälle gemeinsam. Mir persönlich ist das sehr wichtig, denn mir ist bewusst, dass dieses Privileg nicht jede DH genießt.
Wie steht ihr zu der Forderung, sich als Dentalhygieniker:in selbstständig machen zu können?
Gaar: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Was viele nicht verstehen: Nicht jede DH will sich selbstständig machen. Aber als DH immer einen Vollzeitjob zu bekommen ist schwierig, solange die Anerkennung beziehungsweise die Delegationen so offen sind. Man sollte dabei bedenken, dass das selbstständige Arbeiten einer DH für Arbeitgeber, also für die Zahnärzte, auch mit Vorteilen verbunden ist. Ist ein Mitarbeiter freiberuflich beziehungsweise selbstständig angestellt, so würde der Zahnarzt/die Zahnärztin kein Risiko hinsichtlich eines erhöhten Krankenstands eingehen. Wäre schön, wenn das Thema hier – wie in anderen Berufsumfeldern bereits Usus – auch endlich modernisiert und an den heutigen Arbeitsmarkt angepasst wird.
Altrogge: Ich persönlich strebe keine Selbstständigkeit an, weil ich die Vorzüge des Angestelltendaseins genieße, aber ich kann meine Kolleginnen und Kollegen verstehen, die gerne selbstständig arbeiten möchten. Es ist frustrierend, dass das in anderen Ländern möglich ist. Ich finde das Thema vor allem im Hinblick auf den Fachkräftemangel in der Zahnmedizin schwierig. Da es ohnehin schon viel zu wenige DHs in Deutschland gibt, wäre es eine gute Lösung, wenn wir auf selbstständiger Basis in mehreren Praxen arbeiten könnten, um den dringenden Bedarf zu decken. Das ist aber leider nach wie vor nicht erlaubt.
Was würdet ihr euch für die Zukunft wünschen?
Altrogge: Als Dentalhygienikerin wünsche ich mir klare rechtliche Rahmenbedingungen für meine Arbeit am Patienten. Dazu gehören für mich ein anerkanntes Berufsbild, ein unmissverständlicher Delegationsrahmen und eine legale Möglichkeit in mehreren Praxen tätig zu sein.
Gaar: Mehr Sichtbarkeit, Respekt und Anerkennung für unser hoffentlich bald anerkanntes Berufsbild der Dentalhygiene.
Das Interview führte Kerstin Jung.
Bild: V.l.: Celina Gaar und Mariette Altrogge, Dentalhygienikerinnen und Vorstandsmitglieder des VDDH
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