Seit Einführung der gebührenrechtlich erstmals im Jahr 2012 definierten Leistung der Professionellen Zahnreinigung nach Nr. 1040 GOZ macht diese Leistung immer wieder Schlagzeilen, meist im Zusammenhang mit diversen Gerichtsurteilen hinsichtlich der Berechnungsfähigkeit. Dem Bestreben des Verordnungsgebers, das Präventionsbewusstsein von Patienten und Zahnärzten insgesamt zu stärken, wird damit allerdings nicht entsprochen.
Die Novellierungsbegründung von Bundesregierung und -rat erscheint mitunter weit weg von der Realität: „Mit der Aufnahme in das Gebührenverzeichnis der GOZ wird eine transparente Abrechnung dieser Leistung ermöglicht und das bisher heterogene Abrechnungsgeschehen vereinheitlicht.“ Doch schon im Leistungstext selbst wird klar, diese Leistung ist alles andere als eindeutig formuliert: „Die Leistung umfasst das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen, einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied.“
Gingivale Beläge
Gingivale Beläge sind im Sulkus der Gingiva zu finden, auf dem Zahnhals/Wurzelbeginn direkt unter der Gingivamanschette. Während sich zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen damit beschäftigen, was nun genau „gingivale Beläge“ sind, erscheint einigen Gerichten diese Formulierung wenig bedeutsam. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hatte mit Urteil vom 20.01.2016 (Az.: 10 K 7023/14) entschieden, dass die von einem Zahnarzt berechnete Leistung GOZ Nr. 2130, analog für Entfernung subgingivaler Beläge, bereits mit der GOZ-Nr. 1040 abgegolten sei.
Entschieden wurde ohne Hinzuziehung eines zahnärztlichen Sachverständigen. Die ablehnende Haltung stützte sich allein auf die nach Ansicht des VG zutreffenden Begründungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 21.02.2014 (Az.: 1 A 477/13).
Begriffe wie “gingival” und “subgingival” werden nicht getrennt
Diesem war bereits das ablehnende Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17.01.2013 (Az. 13 K 5973/12) vorausgegangen, das ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen ergangen war. Alle genannten Urteile berufen sich in unzutreffender Interpretation auf eine Beschreibung im allgemeinmedizinischen Wörterbuch „Pschyrembel“. Daraus gewonnene Erkenntnisse zur Bezeichnung der Topografie am Zahn und an der Gingiva entsprechen allerdings nicht der aktuellen wissenschaftlichen Zahnheilkunde.
Begriffe wie „gingival“ und „subgingival“ werden in dem klinischen Wörterbuch weder fachlich noch gebührenrechtlich getrennt. Es erfolgt auch keine eindeutige Leistungstrennung zwischen reiner Belagentfernung (nach Nr. 4050/4055 GOZ), Professioneller Zahnreinigung (Nr. 1040 GOZ) und parodontalchirurgischen Maßnahmen (Nrn. 4070ff. GOZ).
Subgingivale Belagentfernung gleich PZR?
Könnte aus gebührentechnischer Sicht die Kommentierung der Bundeszahnärztekammer Unterstützung bieten? Leider lässt diese offen, was zeit- und ortsgleich konkret als Leistungsbestandteil der PZR einzustufen ist. In dem BZÄK-Kommentar heißt es u.a.: „Die subgingivale Belagentfernung im Sinne einer PZR, z.B. im Rahmen einer paradontalen Nachsorge, ist von dieser Nummer nicht umfasst und muss daher analog berechnet werden.“ Damit wird klargestellt, dass nach Einschätzung der BZÄK die subgingivale Belagentfernung kein Bestandteil der PZR und eine Berechnung auf dem Wege der Entsprechung nach § 6 Abs. 1 GOZ folgerichtig sei.
Diese Feststellung klärt jedoch nicht, ob „die subgingivale Belagentfernung“ zahn- und zeitgleich mit der Nr. 1040 „supragingivale/gingivale professionelle Zahnreinigung“ angesetzt werden könnte oder ausgeschlossen ist. Jedoch lässt sich aus dem Kommentar ableiten, dass es außer einer subgingivalen „parodontalchirurgischen Therapie“ (4070, 4075) auch eine subgingivale noninvasive Zahnreinigung gibt, die „klinisch erreichbare Beläge“ entfernt.
Behandler muss detailliert darlegen
Trotz der – möglicherweise irreführenden – Formulierung der BZÄK erscheint die Auslegung, zusätzlich zur „Professionellen Zahnreinigung (PZR) könne zahn- und zeitgleich eine „PZR subgingival“ als Analogleistung berechnet werden (1040 plus 1040a oder Ähnliches), unwahrscheinlich. Denn: Die allgemeine Berechnungsbestimmung zur Ziffer 1040 GOZ besagt: „Die Leistung nach Nr. 1040 ist neben den Leistungen nach den Nrn. 1020, 4050, 4055, 4060, 4070, 4075, 4090 und 4100 nicht berechnungsfähig“.
Das bedeutet: Belagentfernung und Parodontalbehandlung wurden vom Verordnungsgeber zahn- und zeitgleich mit einer PZR gebührenrechtlich ausgeschlossen. Dies verdeutlicht, dass der Behandler detailliert darlegen muss, welche Leistung konkret an welchem Zahn erbracht wurde. Wenn der Verordnungsgeber im Leistungstext nicht deutlich die Grenze zwischen supragingival, gingival und subgingival ziehen konnte, verbleibt diese Möglichkeit der zahnärztlichen Praxis in der Rechnungslegung mit der Wahl der geeigneten Leistung.
Patienten aufklären
Die noninvasive „Entfernung klinisch erreichbarer subgingivaler Beläge“ ist im Zahnheilkundegesetz (§ 1 Abs. 5 ZHG) ausdrücklich erwähnt und somit gesetzlich bescheinigt. Diese Leistung ist nachlesbar nicht in der GOZ beschrieben und folglich auf dem Wege der Entsprechung nach § 6 Abs. 1 zu berechnen. Die zahn- und sitzungsgleich nicht mögliche PZR grenzt sich unmissverständlich dagegen ab als „Entfernung supragingivaler/gingivaler Beläge“, also eindeutig ohne Entfernung subgingivaler Beläge.
Im Praxisalltag unterstreicht das vor allem die hohe Bedeutung einer detaillierten Dokumentation erbrachter Leistungen. Weiterhin sollten Patienten aufgeklärt werden, dass Nachfragen seitens der Kostenerstatter und Versicherer zum Erstattungsprozess vorkommen können.
Ausführliche Informationen, berufsständische und erstattungsrechtliche Kommentare sowie wissenschaftliche Einschätzungen dazu finden sie auf dem Abrechnungsportal ALEX unter der Nr. 1040 GOZ.
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