Spannende Themen für das Praxisteam wurden beim alljährlichen Kongress des Deutschen DentalhygienikerInnen Verbands (DDHV) in München aufgegriffen. Es ging um optimale Methoden zur Belagsentfernung und der Reduktion des Biofilms, typische Reinigungsprobleme, die Möglichkeiten orthodontischer Extrusionstechniken und die Frage, wann eine chirurgische Behandlung nötig wird.
Minimalinvasive Belagsentfernung und Reduzieren des Biofilms
Referentin Deborah J. Hofer (RDH, BS, EdM, CAS) geht davon aus, dass das alte Paradigma der belagsfreien Zahn- und Wurzeloberfläche vom neuen Paradigma der minimalinvasiven Belagsentfernung und dem Reduzieren des Biofilms abgelöst wird, da eine intakte Zementschicht für das Re-Attachment nötig ist.
Sie nannte wahrscheinliche Orte für Belagsresiduen, etwa der Taschenfundus, Furkationen unter Kontaktpunkten, die Schmelz-Zement-Grenze und nicht überlappende Arbeitszüge.
Außerdem verglich sie Ultraschall- mit manueller Instrumentation und kam zu dem Ergebnis: Die Effektivität und Oberflächenanrauung ist manuell und magnetostriktiv gleich, allerdings ist Ultraschall etwas schneller. Der piezoelektrische Ansatz erhöhe zwar die Oberflächenanrauung, sorge aber auch für eine geringere Arbeitszeit (die jedoch durch das manuelle Nachglätten wieder verlängert wird).
Da Konkremente schwer von Wurzelzement zu unterscheiden sind und momentan keine bessere Sensibilität als Sondieren eingesetzt werden kann, müsse unbedingt ein möglicher Substanzabtrags beachtet werden: Der Abtrag sei abhängig von der Bearbeitungszeit, der Instrumentenqualität und -schärfe, der aufgewendeten Kraft und der Arbeitszug- sowie Recall-Frequenz.
Zu besonderer Vorsicht mahnt Hofer bei diamantierten Ansätzen: „Sie sollten nur in Einzelfällen zum Einsatz kommen.“ Eine sehr sanfte Möglichkeit der professionellen Plaque-und Biofilmkontrolle seien hingegen das Glycin- sowie das Erythritol-Pulver.
Motivational Interviewing: Neue Wege bei häuslicher Mundhygiene
Auch bei optimaler professioneller Betreuung ist die häusliche Mundhygiene unerlässlich. Denn: Die supragingivale Belagsfreiheit ist entscheidend für die Heilung in der Tiefe. Dr. Norbert Salenbauch zeigte neue Wege auf, die das dem Patienten vermitteln. Gut geeignet sei das sogenannte „Motivational Interviewing“, das zu einer Verhaltensänderung des Patienten führen soll.
„Die Vorteile einer solchen Umgewöhnung sollen vom Patienten selbst herausgefunden werden. Dadurch können seine Ambition zu einer Verhaltensveränderung und das dafür benötigte Selbstvertrauen effektiver entstehen“, sagte Salenbauch. Unterstützend könnten Plaque und Blutungen zur wirksamen Visualisierung der vorhandenen Entzündung eingesetzt werden, die vom Patienten meist noch nicht einmal bemerkt worden sei.
Die Mundhygiene-Demonstration selbst sollte immer im Stehen vor einem Spiegel erfolgen – die Mikromotorik sei besser und die Aufmerksamkeit höher. „Lobende Elemente sind dabei essenziell und dürfen lieber zu viel als zu wenig angewendet werden“, so seine Überzeugung.
Häufig entstehen Reinigungsprobleme bei Implantaten. Gründe hierfür sind zum Beispiel die bauchige Kronenform, die Tatsache, dass der Durchmesser des Implantats geringer ist als der Zahn, fehlendes befestigtes Gewebe und auch „sombreroförmige“ Teleskopkronen. „Äußerst wichtig ist eine optimale Mundhygiene sowohl post-operativ als auch regulär, welche unbedingt individuell angepasst werden muss!“, betonte Dr. Gordon John.
Er gab zudem einen Überblick zur Klassifikation von Mukositis und Periimplantitis sowie deren Defektformen klinisch und radiologisch und erläuterte die Diagnose mittels Inspektion, Sondierung , Palpation und Perkussion sowie die verschiedenen Therapieformen.
Was orthodontische Extrusionstechniken leisten können
Dr. Stefan Neumeyer referierte über „Regeneration und Erhalt parodontaler und alveolärer Gewebestrukturen durch orthodontische Extrusionstechniken“. Dieses implantatvorbereitende, spezielle Verfahren habe eine klar nachzuweisende Evidenz. Vor allem die alveoläre Blutversorgung und der Erhalt der bukkalen Knochenlamelle könnten noch optimiert werden. Bei einer Replantation ist die Alveole jedoch beinahe in toto zu erhalten – vor allem der bukkale Faserapparat zu 98 Prozent – und durch die Extrusion erfolge ein biologisches anstelle eines chirurgischen Gewebsmanagements.
Neumeyer: „Das parodontale Ligament dockt nach vier Tagen wieder an und bleibt so zum größten Teil intakt. Erstaunlich schnell folgt der Knochen nach: Nach einem Monat 1 mm, nach zwei Monaten 1,5 mm; im Oberkiefer wie gewohnt langsamer, dort erfolgt nach sechs Wochen, im Unterkiefer nach vier Wochen eine primäre Osteogenese.“ Nachteile des Verfahrens seien die Konkrementbildung und eine unbedingt erforderliche Wartezeit zur Implantation, da Proteoglykane das Implantatbett schädigen.
„Zu oft wird zu schnell operiert“
Doch wann wird eine chirurgische Behandlung nötig? Dr. Tobias Thalmair stellte ein modernes PA-Konzept vor. Demzufolge indiziert eine persistierende Taschentiefe größer/gleich 6 mm aufgrund mangelnder Erreichbarkeit eine chirurgische Weiterbehandlung, das heißt, eine Reinigung unter Sicht.
Vor allem vertikale Defekte ließen sich hierbei sehr erfolgreich mikrochirurgisch, und möglichst minimalinvasiv, regenerieren. „Der Entscheid einer chirurgischen Intervention sollte auf bis zu zwölf Monate nach der Initialtherapie ausgedehnt werden“, rät Thalmair. „Zu oft wird zu schnell operiert und wirklich minimalinvasiv ist nur eine nichtchirurgische Therapie.“ (Regine Bahrs, Dipl. DH HF)
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