Kieferorthopädische Versorgungen treffen im Schwerpunkt Kinder und Jugendliche. Wenn die KFO nicht mit einem vernünftigen Prophylaxe-Konzept kombiniert wird, kann es für die Patienten unangenehme Spätfolgen geben. Wie die optimale Kombination der Therapien aussehen kann, darüber sprachen wir mit der Dentalhygienikerin Sophia Helinski.
Bereits vor dem geplanten Start der KFO-Behandlung sollte die Prophylaxe einsetzen, empfiehlt Helinski, die in Berlin die Prophylaxe der „Praxis Mitte“ von Dr. Christina Erdmann und Dr. Anna Trojan leitet. Die Beratung speziell zur neuen „Zahnpflegesituation“ sowie die Vorbereitung auf die neue Mundsituation seien hier wichtig. „Denn KFO-Patienten haben ein signifikant höheres Karies- und Gingivitisrisiko.“ Je nach Stellung der Zähne und der eingesetzten Apparatur wird eine Plaqueansammlung begünstigt, was die Entwicklung von kariösen Läsionen bzw. Gingivitis geradezu forciert. Helinski: „Grund genug, gleich zu Beginn der KFO-Behandlung die Weichen für eine erfolgreiche präventive Betreuung zu stellen.“
Hindernisse für die häusliche Mundhygiene
Denn die Folgen einer vernachlässigten Mundhygiene zeigen sich schnell: Die KFO-Apparaturen stellen oft ein großes Hindernis für die häusliche Mundhygiene dar. Drahtkonstruktionen bei festsitzenden Zahnspangen bilden zum Beispiel nur schwer zu pflegende Schmutznischen, und auch Interdentalräume sind durch Zahnspangen sehr schwierig zu reinigen. Klebereste auf den Flächen bieten ideale Bedingungen für eine Plaque-Anhaftung, außerdem haben die kleinen und großen Patienten durch den Zug und den Druck Schmerzen. Zudem können die Schleimhäute durch die Bögen, Ligaturen und Brackets verletzt werden und sich entzünden.
All das führe laut Helinski häufig zu einem veränderten Zahnpflegeverhalten oder zur Abstinenz von Zahnbürste und Co. Verständlich, dass der Umgang mit Zahnbürste und Interdentalbürstchen neu erlernt werden und vielleicht auch andere Hilfsmittel als vor der KFO-Behandlung empfohlen werden müssen. „Gerade der Bereich Motivation und Instruktion sollte daher einen großen Anteil bei der Betreuung haben“, empfiehlt die Expertin. Je nach Alter der Patienten ist die Motivation schwankend, gerade bei Jugendlichen kann man das beobachten, weil die „neue“ Pflege oft viel Zeit in Anspruch nimmt. Wird die Mundhygiene vernachlässigt und die Ernährung ist möglicherweise sehr zuckerhaltig, entstehen kreidige, weiße Punkte (white spots) auf den Zahnoberflächen, die letztendlich im schlimmsten Fall in Karies enden können.
Parodontitis vermeiden
„Auch darauf müssen unsere Empfehlungen abzielen: Zähne sollte man in der posteruptiven Schmelzreifungsphase mit Fluorid unterstützen.“ Durch die Massen an Plaque und eine nicht optimale Ernährung könne zudem auch eine Gingivitis entstehen, Blutungen beim Putzen seien an der Tagesordnung. Und wie reagieren manche Patienten darauf? „Mit weniger Zähneputzen, um diese Stellen zu schonen – und genau das ist kontraproduktiv“, betont Helinski. Bleibt die Gingivitis unbehandelt, kann daraus in einigen Fällen bereits bei Jugendlichen eine Parodontitis entstehen – das müsse unbedingt vermieden werden.
Für Helinski ist deshalb bei der KFO die Prophylaxe in risikoorientierten Recallabständen (alle drei bis sechs Monate) also das wichtigste Instrument, die Patienten durch die Zeit der KFO zu begleiten. Die Befunde und Indices, die Anamnese und das Verhalten des Patienten würden dabei die Frequenz der Prophylaxebehandlungen bestimmen und müssten immer der neuen Situation angepasst werden.
Leichte Vorteile haben laut der Dentalhygienikerin diejenigen, die eine herausnehmbare KFO-Versorgung besitzen. Dies sorge dafür, dass die Zähne eindeutig besser gereinigt werden können und somit das Risiko, an Karies oder einer Parodontitis zu erkranken, sinke.
Generell gilt: Einer der größten Risikofaktoren für KFO-Patienten ist der Biofilm, da Karies, Gingivitis und Parodontitis aufgrund der Akkumulation von bakteriellem Biofilm entstehen können. Weitere Risikofaktoren, so Helinski, könnten aber auch Non- und Fehlokklusionen, Wurzelresorptionen, Craniomandibuläre Dysfunktionen oder Strahlenbelastungen sein – da in einer kieferorthopädischen Behandlung viele Röntgenbilder erstellt werden müssen.
Standardisierter Ablauf
Die DH empfiehlt, bei der Entwicklung eines Prophylaxekonzeptes darauf zu achten, dass die Prophylaxesitzung immer, auch bei einem Patienten während einer KFO-Behandlung, standardisierten Abläufen folgen sollte: Einführungsgespräch, spezielle und allgemeine Anamnese, Befunderhebung und Indices (mit Anfärbung), Motivation, Reinigung, Politur, ergänzende Therapien, Mundhygieneberatung und -übung, Empfehlungen für Zuhause und die Fluoridierung.
Zur Erfassung des patientenbezogenen Risikos werden in ihrer Praxis zusätzlich noch der Parodontalindex, Schäden an der Zahnhartsubstanz, Ernährungsgewohnheiten, Habits, Compliance und Fluoridgaben erfasst.
Die Grundlage für die Prophylaxestrategie und die Recallabstände sei die individuelle Risikoerhebung, die sich aus den vorher aufgenommenen Daten ergebe. Weiterhin unerlässlich sei es, möglicherweise andere Techniken oder Produkte zur Zahnpflege für Zuhause zu zeigen und zu üben. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Tell-Show-Do-Methode.
Pflegehinweise bei der KFO-Prophylaxe
In einer Prophylaxesitzung zeigt Helinski nach dem Einfärben der Zähne den Patienten die individuellen Putzdefizite und gibt ihnen individuelle Pflegehinweise für die häusliche Mundhygiene, wie beispielsweise:
- Ober und Unterhalb der Brackets die Zahnoberflächen und unter dem Behandlungsbogen putzen und die Brackets selbst nicht vergessen.
- Eine Solobürste für die Reinigung um die Brackets und für den Gingivalsaum benutzen – auch für endständige 6er oder 7er ist die Solobürste ideal.
- Die Anwendung von Interdentalbürsten für den Bereich unter dem Behandlungsbogen und für die Interdentalräume oder Zahnseide mit einem festen Ende.
- Zu guter Letzt die optische Kontrolle nach dem Zähneputzen unter Anwendung der Hilfsmittel.
Altersgerechte Motivation
Natürlich, weiß auch die Expertin, ist die Motivation bei Kindern und Jugendlichen dabei unerlässlich. Bei Kindern sollte man spielerisch, lobend und mit viel praktischen Übungen vorgehen. Sehr wichtig sei auch die Einbindung der Eltern bei der häuslichen Zahnpflege. „Wir geben unseren kleinen und großen Patienten einen ,Mundhygienefahrplan‘ mit – ausgedruckt aus unserem Programm heraus. Da wird jedes Kind altersgerecht angesprochen und mit Hilfe kleiner Figuren zum Putzen motiviert.“
Bei kleineren Kindern seien die Rituale, die zu Gewohnheiten werden, ausschlaggebend und natürlich die Vorbildfunktion der Eltern, die auch im jugendlichen Alter nicht endet. Helinski: „Jugendliche brauchen viel Vertrauen, sie möchten auf Augenhöhe behandelt werden, und man muss mit Kleinigkeiten überzeugen und eventuell das Recallintervall verkürzen – „Am Ball bleiben“ lautet hier die Devise!“
KEINE KOMMENTARE