Auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main stellten DG PARO und DGZMK Anfang November die neuen S3-Leitlinien zur systematischen Parodontitistherapie vor. Ein zentraler Bestandteil ist die Leitlinie zum chemischen Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis.
Mit der Leitlinie beschäftigte sich intensiv ein Team um „Koordinatorin“ Prof. Dr. Nicole Arweiler, Direktorin der Klinik für Parodontologie der Philipps-Universität Marburg, UKGM. Zusätzlich waren zahlreiche Interessengruppen frühzeitig an der Ausarbeitung beteiligt. Sie hatten im Vorfeld einer Konsensuskonferenz im Oktober 2017 das Manuskript erhalten und vor Ort in Arbeitsgruppen oder schon vorab Verbesserungsvorschläge eingebracht. „In der abschließenden Abstimmung gab es bei fast allen formulierten Statements einen einstimmigen Konsens“, erklärt Arweiler.
Doch warum können chemische Prophylaxeprodukte eigentlich so wichtig für das Biofilmmanagement sein? Arweiler: „Die mechanische Mundhygiene, bestehend aus Zähneputzen und Interdentalraumreinigung, wird aus verschiedenen Gründen nicht adäquat durchgeführt.“ Hinzu kommt, dass Zahnfleischentzündungen bei Patienten weit verbreitet sind und unbehandelt zu Parodontitis führen können. Diese wiederum hat weitreichende Folgen für die Allgemeingesundheit. „Daher sollten wir alle Möglichkeiten zur Reduktion der auslösenden Bakterien ausschöpfen, und dazu gehören Mundspüllösungen mit ihren antibakteriellen Wirkstoffen.“
Empfehlung für Patientengruppen
Die neue Leitlinie gibt Prophylaxefachkräften auch Informationen darüber, für welche Patientengruppen sich die Anwendung antimikrobieller Mundspüllösungen als Ergänzung des täglichen Biofilmmanagements empfiehlt. Generell gehören dazu alle Patienten, bei denen die mechanische Mundhygiene verbessert werden muss, aber nicht verbessert werden kann.
Prinzipiell kann man Indikationen einteilen in:
1) Situationen, bei denen kurzfristig (etwa zwei bis vier Wochen) als zusätzliche oder auch als alleinige Maßnahme eine hohe Keimzahlreduktion notwendig ist. Dazu bieten sich Chlorhexidin-Lösungen in 0,1- bis 0,2-prozentiger Konzentration oder einprozentige Gele an. „Solche Situationen sind etwa kurzfristige Einschränkungen der mechanischen Mundhygiene nach intraoralen Operationen“, sagt Arweiler. Abhängig vom Entzündungszustand der Gingiva können bei intermaxillärer Fixation, bei festsitzenden KFO-Apparaturen (z. B. Brackets, Bänder) sowie bei Personen mit motorischen Einschränkungen bei der mechanischen Mundhygiene kurzfristig Chlorhexidin-Lösungen (≥0,1 Prozent) oder längerfristig andere Wirkstoffe zum Einsatz kommen.
2) Personengruppen, die längerfristig eine Ergänzung ihrer täglichen mechanischen Mundhygiene benötigen. Dazu bieten sich antibakterielle Lösungen an, die als Kosmetika für den deutschen Markt zugelassen sind und den Schwerpunkt nicht bei der Therapie, sondern bei der Prävention von Gingivitiden haben. Zu ihnen werden auch die niedrig dosierten Chlorhexidin-Lösungen (0,06-prozentig) gerechnet.
Von der langfristigen Anwendung profitieren insbesondere Patienten mit mechanisch schwer oder nicht zugänglichen Bereichen (z. B. festsitzenden KFO-Apparaturen, prothetischen Konstruktionen), mit besonderem Unterstützungsbedarf (z. B. Pflegebedürftige), mit chronischen Erkrankungen, die unter besonderer Medikation stehen (z. B. bei/nach Chemotherapie und/oder Bestrahlung), Schwangere sowie Kinder und Jugendliche, bei denen ebenfalls ein besonderes Augenmerk auf adäquate/effektive Mundhygiene gerichtet werden soll, sowie Patienten mit Implantaten und implantatgetragenem Zahnersatz, die ein intensives Biofilmmanagement benötigen.
Zur Kurzversion der S3-Leitlinie “Häusliches chemisches Biofilmmanagement”Inhaltsstoffe für die langfristige Anwendung
Die neue S3-Leitlinie gibt laut Arweiler auch Auskunft darüber, welche Inhaltsstoffe für die langfristige Anwendung (etwa sechs Monate) geeignet sind. Nimmt man Chlorhexidin aus, haben sich die ätherischen Öle dafür am besten bewährt. Arweiler: „Allerdings bezieht sich die hervorragende Datenlage der ätherischen Öle auf eine Formulierung mit Alkoholgehalt.“ Dagegen sei prinzipiell nichts einzuwenden, aber bei Kindern und Schwangeren oder Patienten, die aus anderen Gründen keine alkoholhaltigen Spüllösungen verwenden möchten, wird oft eine Alternative gewünscht. Kürzlich wurde die entsprechende alkoholfreie Alternative in einer klinischen Sechsmonatsstudie untersucht (Lynch et al. 2018), sie konnte aber im Oktober 2017 noch nicht in die Leitlinien-Erstellung eingeschlossen werden.
Längerfristig können aber auch die alkoholfreien Spüllösungen mit den Wirkstoffen Aminfluorid/Zinnfluorid oder Cetylpyridiniumchlorid eingesetzt werden. Als Ergänzung zur mechanischen Mundhygiene zur Reduktion einer Gingivitis haben diese laut Arweiler einen kleinen bis moderaten Effekt bei geringer bis moderater Qualität der Evidenz.
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