Ein beträchtlicher Teil der deutschen CO₂-Emissionen wird von Kliniken, Pharmaunternehmen, Herstellern von Medizintechnik und auch Arzt- sowie Zahnarztpraxen verursacht[1]. Klimafreundliche Maßnahmen im Gesundheitswesen können also einen entscheidenden Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasen leisten. Wie Praxen schon mit kleinen Veränderungen etwas bewegen können, zeigt Ursula Katthöfer, Referentin für Klimaschutz beim PKV Institut.
„Den meisten Menschen fällt es schwer, das eigene Verhalten zu ändern, um Gesundheit und Wohlbefinden zu verbessern. Ähnlich ist es beim Klimaschutz“, erklärt Ursula Katthöfer: „Auch um CO₂-Emissionen zu senken, müssten wir unseren Lebensstil und unser Verhalten ändern.“ Um neue Gewohnheiten zu entwickeln, empfiehlt sie Praxisteams, sich die folgenden Fragen zu stellen: Möchten wir aktiv zum Klimaschutz beitragen? Wie viele Treibhausgase produzieren wir momentan? Welche Reduzierung peilen wir an? Sind 10 Prozent im Jahr realistisch? „Besteht ein grundsätzliches Ja zum Klimaschutz in der Praxis, ist das Wesentliche schon geschafft“, so Katthöfer. Um ins gemeinsame Handeln zu kommen, empfiehlt die Expertin Praxisteams die folgen-den zehn Schritte:
1. Wertschätzung statt Öko-Shaming: Klimaschutz ist Teamaufgabe
Wenn viele Praxen kleine Schritte gehen, summieren sich diese. Doch Veränderungen müssen freiwillig geschehen, sie lassen sich weder vorschreiben noch durch Belehrungen oder gar Vorwürfe erzwingen. Besser funktionieren Komplimente, etwa an die Kollegin, die neuerdings einen Mehrwegbecher für den Kaffee unterwegs verwendet. Sorgen Sie gemeinsam für Bedingungen, die klima-freundliche Entscheidungen leichter machen.
2. Die eigene CO₂-Bilanz erstellen
Um herauszufinden, wie viel CO₂ eine Praxis verursacht, helfen kostenpflichtige Dienstleister oder der kostenfreie CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes (https://uba.co2-rechner.de). Den größten Anteil der Emissionen aus Arzt- und Zahnarzt haben Heizen, Energie und Mobilität. Auch die Behandlungen selbst, Narkosen und Medikamente schlagen sich als direkte oder indirekte Emissionen in der Bilanz nieder.
3. Nachhaltig einkaufen
Ein maßgeschneidertes Warenwirtschaftssystem ermöglicht effiziente Bestellmengen, die eine Lagerung über das Verbrauchsdatum hinaus vermeiden, und Bestellintervalle, die möglichst wenig Emissionen durch Transport verursachen. Seife und Reinigungsmittel sollten in Großpackungen bzw. Nachfüllpackungen bestellt werden, sofern das Hygienekonzept es erlaubt. Wo immer möglich, sind Einwegprodukte durch Mehrwegprodukte zu ersetzen. Wer schon bei der Praxiskleidung auf ressourcenschonend hergestellte Biobaumwolle achtet, tut sich und der Umwelt etwas Gutes. Bei Smartphone, Tablet & Co. bieten sogenannte Refurbisher gebrauchte, aber qualitätsgesichert überholte und wie neu instandgesetzte Geräte an und kaufen gebrauchte Geräte ab – auch hier lassen sich CO2-Emissionen einsparen.
4. Rund um die Behandlung
Viele Geräte etwa in der Zahnarztpraxis benötigen Druckluft zur Ansteuerung. Für einen reibungslosen Praxisablauf muss daher die Druckluftversorgung mithilfe eines oder mehrerer Kompressoren jederzeit gewährleistet sein. Doch deren Leistungsfähigkeit kann an den Bedarf angepasst werden. Anschlüsse und Schläuche sind regelmäßig auf Leckagen zu prüfen, denn ungenutzt verpuffte Druckluft verursacht vermeidbare Kosten – für die Praxis und für die Umwelt. Über Nacht sollten elektrische Geräte (auch Monitore!) möglichst ausgeschaltet werden. Sterilisator und Thermodesinfektor sollten erst eingeschaltet werden, wenn sie vollständig befüllt sind.
5. Mülltrennung
Der Müll sollte in Behandlungsräumen, Backoffice und Sozialräumen getrennt werden. Wertstoffe wie Plastik und Metall, Papier, Glas, medizinische Abfälle, Batterien und Elektroschrott sind getrennt zu entsorgen. Das Universitätsklinikum Bonn konnte durch verbesserte Mülltrennung seine Recyclingquote von 45 auf 56 % steigern und dadurch jährlich Entsorgungskosten in Höhe von € 97.000 einsparen. Auch kleinere Praxen können sparen: Eine Zahnarztpraxis in Neuruppin trennt Sondermüll inzwischen sorgfältig vom Restmüll. Die Sondermülltonne muss dadurch viel seltener geleert werden. Da jede Leerung € 70,- kostet, spart das Praxisteam viel Geld.
6. Digitalisierung und Klima
Suffizienz ist das Zauberwort in Sachen Klimaschutz: Immer nur so viel Rohstoff und Energie verbrauchen, wie wirklich notwendig ist. Muss dieses Dokument ausgedruckt werden? Wenn ja, muss das Papier einseitig bedruckt sein oder geht es auch doppelseitig? Rechnungen können digital versandt, Dokumentationen und Archivierung weitgehend digitalisiert werden. Ungewünschte Kataloge, Flyer und Broschüren lassen sich abbestellen. Die Patientenaufklärung kann man auf die eigene Website stellen. Den Anamnesebogen können Patientinnen und Patienten in vielen Praxen schon digital am Tablet ausfüllen. Das wenige Papier, das in der Praxis noch notwendig ist, sollte Recyclingpapier sein. Auch E-Mails verursachen CO₂. Bestellen Sie deshalb irrelevante Newsletter, Werbung und Spam einfach ab.
7. Energie und Wasser achtsam verwenden
Viele CO₂-Emissionen entstehen beim Heizen. Beauftragen Sie deshalb, wenn möglich gemeinsam mit Ihren Nachbarn im Haus, einen zertifizierten Energieberater, der das ganze Gebäude auf Energiesparpotenziale prüft und lohnende Investitionen aufzeigen kann. Wer engagiert kommuniziert, wird Mitstreiter finden und kann vermeintliche Grenzen oft unverhofft schnell überwinden. Wechseln Sie auf grünen Strom aus garantiert regenerativen Energien (https://gruenerstromla-bel.de/). Mit dieser Sofortmaßnahme können Praxen ihre CO₂-Emissionen für den Stromverbrauch mit geringem Aufwand auf Null reduzieren. Achten Sie unabhängig vom Stromanbieter beim Gerätekauf auf Energieeffizienz, vermeiden Sie Untertischgeräte zur Wassererhitzung, wählen Sie die Größe Ihres Kühlschranks bedarfsgerecht und nutzen Sie Geräte klimabewusst. Klimaanlagen etwa sollten nur an sehr heißen Tagen eingeschaltet werden und die Räume maximal 6 Grad kühler als die Außentemperatur halten. Akkus statt Wegwerfbatterien, LED-Beleuchtung, Wasserstop beim WC-Spülkasten: Es gibt viele kleine Dinge, die wir tun können, um in Summe deutlich Energie, Wasser und CO₂ zu sparen.
8. Verkehrswende mitgestalten
Wenige Minuten im Flieger verursachen mehr Emissionen als der Stromverbrauch eines ganzen Jahres. Die Anreise etwa zu Kongressen sollte möglichst mit der Bahn oder in Fahrgemeinschaften erfolgen. Dienstrad und Leihräder, Zuschüsse zum ÖPNV, komfortable Fahrradparkplätze und E-Ladestationen für Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten machen klimafreundliche Mobilität leichter. Wer Video- und Telefonsprechstunde anbietet, spart den Patienten Anfahrtszeit und hilft, Emissionen zu reduzieren.
9. Tu Gutes – und sprich darüber!
Komfortable Fahrradparkplätze und eine umweltfreundliche Praxisphilosophie werden durchaus registriert: Viele Patientinnen und Patienten achten bei allen Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen, zunehmend auf Nachhaltigkeit. Präsentieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Praxis und online. Motivieren Sie Patientinnen und Patienten zum Mitwirken, zum Beispiel mit Aufklebern nahe Waschbecken und Lichtschaltern. Hängen Sie Zertifikate, die der Praxis Klimafreundlichkeit bescheinigen, eingerahmt auf und sprechen Sie mit Patientinnen und Patienten über Klimaschutz – ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit Wertschätzung und Anerkennung.
10. Förderinstrumente recherchieren und nutzen
Der Bund fördert nachhaltige Mobilität und E-Fahrzeuge, Energieeffizienz in Gebäuden sowie Energie- und Ressourceneffizienz. Wer etwa ein Energieaudit nach DIN EN 16247 beauftragt, um das Energieverbrauchsmodell eines Gebäudes oder Betriebsablaufs zu erstellen, darf mit 80 % staatlicher Förderung rechnen. Auch Bundesländer und Kommunen bieten oftmals eigene Förderprogramme etwa für E-Mobilität oder Photovoltaik an. Wenn Sie sich für Klimaschutz engagieren möchten, nutzen Sie jede Unterstützung.
Quelle
[1] https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/klimawandel-und-gesundheit/co2-fussabdruck-ge-sundheitssektor
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