Infektionsrisiko senken

Der Kampf gegen Aerosole

Aerosole werden nicht nur durch Instrumente, auch durch Sprechen und Husten freigesetzt.

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Aerosole sind seit der Corona-Pandemie nicht nur in Zahnarztpraxen ein Thema. Klar ist aber auch, dass insbesondere während zahnmedizinischen Behandlungen dentale Aerosole entstehen. Wir sprachen mit Expertin DH Heike Wilken, welche Maßnahmen Ihr treffen könnt, um das Infektionsrisiko mit Aerosolen zu minimieren.

Als Aerosol definiert man eine Suspension aus Flüssigkeit und Feststoffpartikeln mit einem Durchmesser bis zu 5 µm, Ablagerungen und lebenden oder toten Mikroorganismen in einem gasförmigen Medium. Wird ein Aerosol durch den Einsatz von maschinellen Instrumenten im Bereich der Zahnmedizin produziert, so kann es mehrere Meter weit getragen und bis zu 30 Minuten in der Raumluft nachgewiesen werden. Der Spraynebel ist hingegen ein Gemisch aus Luft, Wasser und Feststoffen mit Partikeln mit einem Durchmesser bis zu mehreren Millimetern und mit dem bloßem Auge sichtbar. Spraynebelrückprall tritt nach dem Aufprall auf den Zahn oder das Weichgewebe aus der Mundhöhle glockenartig im Arbeitsfeld aus. Neben dem Spraynebel enthält er jedoch auch Keime, Schleifkörper, Speichel und eventuell Blut.

Geräte produzieren Aerosole

Alle beschriebenen Medien können übertragbare Krankheitserreger enthalten, weshalb zur Vereinfachung im Folgenden das Wort Aerosol für alle diese potenziell infektiösen Medien verwendet wird. „In der Prophylaxe verwenden wir sehr viele Geräte, die Aerosole produzieren wie Winkelstücke, maschinelle Scaler oder Pulver-Wasserstrahlgeräte – alles erfordert Kühlflüssigkeit, was in jedem Fall nicht zu unterschätzendes Aerosol und Sprühnebelrückprallbildungen erzeugt“, erklärt Wilken. Diese Aerosole können Krankheitserreger wie das SARS-COV-2 transportieren. Aber nicht nur Geräte können Aerosole produzieren, auch beim Sprechen, Niesen und Husten entstehen diese. „Das sollte natürlich auch nicht vergessen werden“, sagt die Dentalhygienikerin und Praxistrainerin, die in der Praxis Dr. Schulte, Praxis für mikroskopische Zahnerhaltung und Parodontologie in Emsdetten, arbeitet.

Deshalb sollte laut Wilken gut überlegt werden, wie man den einzelnen Patienten behandelt. Während der Pandemie arbeitet das Praxisteam in der Emsdetter Praxis bei einem sehr großen Teil der Patienten in der UPT mit Handinstrumenten. „Das wird dankend von unseren Patienten angenommen.“ Aber immer sei das nicht möglich. Deshalb sei es wichtig, dass vor jeder Behandlung sichergestellt ist, dass die Kühlflüssigkeit für maschinelle Scaler etwa 30 ml/min beträgt. Studien hätten zudem gezeigt, dass Schallscaler im Vergleich mit Ultraschallscalern deutlich mehr Aerosole produzieren würden.

Eine gewisse Menge an Kühlflüssigkeit ist natürlich notwendig. Es sollten 30 ml/min verwendet werden. Wichtig sei es, darauf zu achten, dass nicht zu viel Kühlflüssigkeit zugeführt würde und die Austrittsdüsen nicht verstopft seien. Letzteres sollte durch Sichtkontrolle von der Prophylaxefachkraft vor jeder Benutzung sichergestellt werden. Wilken weist nochmals darauf hin, dass die Wahl des Instruments sorgfältig zu treffen ist. „Bei Risiko-Patienten würde ich, wenn möglich, auf den Einsatz von maschinellen Scalern verzichten und stattdessen nur Handinstrumente verwenden.“

Mundschutz und Spülen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut Wilken, wann der Patient den Mundschutz absetzt. „Wir empfehlen unseren Patienten, den Mundschutz solange aufzubehalten, bis wir mit der Behandlung beginnen, d. h. beim Einführungsgespräch bleibt der Mundschutz noch auf. Wenn alles besprochen ist, kann der Patient den Mundschutz absetzen und dann sollte er vor jeder Behandlung mit einer antiseptischen Lösung wie Chlorhexidin (CHX) oder Cetylpyridiniumchlorid (CPC) für 30 Sekunden gurgeln.“

Eine Alternative zur konventionellen Biofilmentfernung mit Handinstrumenten oder maschinellen Scalern stellen Pulver-Wasserstrahlgeräte dar, welche aufgrund von neu entwickelten, wenig abrasiven Pulvern auch subgingival oder auf exponiertem Dentin eingesetzt werden können. Pulver-Wassergeräte bilden allerdings sehr viel Aerosol während der Behandlung. Deshalb müsse man die Anwendung in der jetzigen Situation gut überlegen und abwägen. Wilken: „Ich arbeite generell sehr gerne mit dem Pulver-Wasserstrahlgerät, aktuell verzichte ich aber meistens darauf.“

Sitzposition auch ausschlaggebend über Verteilung der Aerosole

Was vielen Kolleginnen nicht bekannt sei: Aerosole breiten sich entsprechend der Sitzposition des Behandlers unterschiedlich im Raum aus. Somit hat unabhängig von der Absaugvorrichtung die Sitzposition des Behandlers einen sehr großen Einfluss auf die Ausbreitung des Aerosols. Maschinelle Scaler beispielsweise hätten die größte Ausbreitung im Raum beim Arbeiten in der 10-12-Uhr-Sitzposition und die geringste bei der Instrumentierung aus der 8-Uhr-Position. Das komme laut Wilken vermutlich daher, dass man von der 12-Uhr-Position als Behandler vor allem die Frontzähne und von der 8-Uhr-Position die Molaren bearbeite. „Im Seitenzahnbereich habe ich die Schutzfunktion in Form der Wange.“ Von daher sei es wichtig, dieses Wissen bei der Behandlung mit einzubeziehen.

Klar ist, dass es fast unmöglich ist, vollständig auf Aerosole zu verzichten. Daher sei es ratsam, dass jeder Patient erst einmal als potenziell infektiös gilt. Entsprechend sind auch die hygienischen Schutzmaßnahmen einzuhalten: Schutzbrille oder Lupenbrille mit Visier, FFP2-Masken (Wichtig: Korrektes Anlegen dieses Schutzes mit guter Abdichtung an Mund und Nase). Ergänzend sollte der Patient 30 Sekunden lang mit einer antiseptischen Lösung gurgeln, um die Keimlast im Patientenmund zu verringern.

Gute Absaugtechnik

Außerdem reduziert nur die Verwendung einer Hochleistungsabsauganlage mit einem Saugvolumen von 300 l/min wirksam die Aerosolkontamination des Behandlungsraumes. In der Prophylaxe werde in der Regel ohne Assistenz gearbeitet. Deshalb sollte die Saugkanüle einen Innendurchmesser von 12 mm haben. Hilfreich könnten hier laut Wilken Sauger mit Spiegel sein. „Ich verwende in Verbindung mit dem Ultraschallscaler eine große Saugkanüle und einen kleinen Speichelzieher. In Bereichen, in denen ich mit der indirekten Sicht arbeite, ist das Arbeiten nur mit dem Speichelzieher möglich. Dann ist allerdings auf einen erhöhten Schutz zu achten, etwas mit einem Visier“, sagt die Expertin.

Nicht zu vergessen sei, dass neben einer optimal angepassten Absaugtechnik die korrekte Desinfektion von Arbeitsflächen und das Durchspülen der Sauganlagen nach jedem Patienten zur Unterstützung der Schutzmaßnahmen beitragen sollte.

Nicht nur an den Schulen ist das Thema Lüften während der Pandemie wichtiger geworden. Auch in der Aerosol-Minimierung im Praxisalltag ist dieser Aspekt ausschlaggebend. Die Lüftung sollte per „Stoßlüftung“ erfolgen, d. h. mit weit geöffnetem Fenster, am besten auch mit geöffneten Türen, nach jeder Behandlung. Können gleichzeitig Fenster und Türen in gegenüberliegenden Räumen geöffnet werden, werde die Lüftung noch effektiver. Je größer die Fenster, umso mehr Luft könne hereinströmen und desto besser und schneller sei der Luftaustausch. Die Empfehlung lautet: Herbst und Frühjahr: 5 Minuten, im Winter mindestens 3 Minuten. „Während der kalten Jahreszeit muss das Lüften gut organisiert werden, damit weder Patienten noch Mitarbeiter sich dabei erkälten“, rät Wilken.



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