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Hoher Zuckerkonsum schlimmer als gedacht

Neue Studienergebnisse

Hoher Zuckerkonsum schlimmer als gedacht

Die Studienergebnisse lassen darauf schließen, dass Fruchtzucker nicht so schlimm ist, wie eigentlich gedacht. Eine andere Zuckerart sorgt für mehr Probleme.

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Fettleber, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen – ein hoher Zuckerkonsum ist nicht nur für die Zähne schlecht. In neuen Studien werden ihm auch verschiedene gesundheitliche Risiken zugesprochen. Wie sieht es aber mit den medizinischen Folgen von Alternativprodukten aus?

Welche gesundheitlichen Folgen kann ein hoher Zuckerkonsum haben? Eine aktuelle Studie bestätigt, dass er entzündliche Prozesse im Körper begünstigen und dadurch die Entstehung von Autoimmunkrankheiten fördern kann. Bei den Betroffenen greift das Immunsystem das körpereigene Gewebe oder ein Organ an. Daraus können beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Typ-1-Diabetes oder die chronische Entzündung der Schilddrüse entstehen.

Die Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) beschreiben die molekularen Prozesse dabei als vielschichtig und äußerst komplex. Die Studien zeigen, dass ein hoher Konsum von Kohlehydraten direkt die krankmachenden Funktionen bestimmter Zellen des Immunsystems fördert. Dementsprechend würde eine kalorienreduzierte Ernährung das Gegenteil bewirken und Immunerkrankungen positiv beeinflussen.

Mehr als nur ein Glukosetransporter

Für die in Cell Metabolism veröffentlichte Studie arbeiteten im Rahmen einer Max-Planck-Forschungsgruppe unter dem Dach der JMU Forscherteams aus Amsterdam, Berlin, Freiburg und Leuven zusammen. Leiter Dr. Martin Väth erklärt: „Immunzellen benötigen große Mengen an Zucker in Form von Glukose, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Mithilfe spezialisierter Transporter in ihrer Zellmembran können sie diese aus der Umgebung aufnehmen”. Gemeinsam mit seinem Team konnte Väth jetzt zeigen, dass ein bestimmter Glukosetransporter – GLUT3 genannt – in T-Zellen, neben der Energiegewinnung aus Zucker weitere Funktion für den Stoffwechsel erfüllt.

In ihrer Studie haben sich die Forscher eine Gruppe von Zellen des Immunsystems in den Fokus genommen, die noch nicht allzu lange bekannt ist: T-Helferzellen vom Typ 17, auch Th17-Lymphozyten genannt. Man vermutet, dass sie essentiell bei der Regulierung von Entzündungsvorgängen sind. „Diese Th17-Zellen tragen jede Menge GLUT3-Proteine auf ihrer Zelloberfläche”, so Väth. Aufgenommene Glukose wandeln sie dann in den Mitochondrien zu Zitronensäure um. Diese wird anschließend im Zellplasma zu dem Acetyl-Koenzym A umgewandelt, das unter anderem als Ausgangsstoff für die Synthese von Fettstoffen benötigt wird.

Azetyl-KoA übernimmt in Th17-Zellen aber weitere Aufgaben. Das Forscherteam konnte zeigen, dass dieses Stoffwechselprodukt auch die Aktivität verschiedener Genabschnitte im Zellkern regeln kann. Auf diese Weise nimmt es dort direkten Einfluss auf die Aktivität entzündungsfördernder Gene. Die neuen Erkenntnisse eröffnen laut der Wissenschaftler Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie bei Autoimmunerkrankungen. So könne das Nahrungsergänzungsmittel Hydroxycitrat, das zur Behandlung von Übergewicht eingesetzt wird, die krankmachenden Funktionen von Th17-Zellen verhindern und dadurch entzündlich-pathologische Prozesse im Körper reduzieren.

Hoher Zuckerkonsum verändert Fettproduktion in der Leber

Eine weitere Studie belegt, dass bereits moderate Mengen an zugesetztem Frucht- und Haushaltszucker die körpereigene Fettproduktion in der Leber verdoppeln. Über längere Zeit begünstigt also ein hoher Zuckerkonsum die Entwicklung von Diabetes oder einer Fettleber.

Forschende der Universität Zürich (UZH) und des Universitätsspitals Zürich (USZ) untersuchten, ob Zucker neben den indirekten Folgen seines hohen Kaloriengehalts (Übergewicht und Adipositas) weitere schädliche Wirkungen mit sich bringt. Im Vergleich zu bisherigen Studien, die vor allem den Konsum sehr hoher Zuckermengen untersuchten, zeigen ihre Ergebnisse, dass bereits moderate Mengen zu Veränderungen im Stoffwechsel der Probanden führen. „80 Gramm Zucker täglich, was rund 8 Dezilitern eines handelsüblichen Softdrinks entspricht, kurbeln die Fettproduktion in der Leber an. Und die Überaktivität hält längere Zeit an, selbst wenn kein Zucker mehr zugeführt wird”, erläutert Studienleiter Philipp Gerber von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung.

Gesamtkalorien sind nicht das Problem

An der Studie nahmen 94 junge gesunde Männer teil. Sie nahmen sieben Wochen lang täglich ein mit unterschiedlichen Zuckerarten gesüßtes Getränk zu sich, während die Kontrollgruppe darauf verzichtete. Das Süßgetränk enthielt entweder Fruchtzucker (Fruktose), Traubenzucker (Glukose) oder Haushaltszucker (Saccharose), der aus Frucht- und Traubenzucker besteht. Mithilfe sogenannter Tracer konnten die Forscher den Effekt der Süßgetränke auf den Fettstoffwechsel nachverfolgen und analysieren.

Insgesamt nahmen die Probanden nicht mehr Kalorien zu sich als vor der Studie. Aufgrund einer gewissen Sättigung durch das Süßgetränk haben sie ihre sonstige Kalorienzufuhr reduziert. Trotzdem beobachteten die Forschenden, dass der Fruchtzucker negative Auswirkungen hatte: Die körpereigene Fettproduktion in der Leber war in der Fruchtzucker-Gruppe doppelt so hoch wie in der Traubenzucker-Gruppe oder der Kontrollgruppe – und dies mehr als zwölf Stunden nach der letzten Mahlzeit beziehungsweise dem letzten Zuckerkonsum.

Haushaltszucker ist schlimmer als Fruchtzucker

Ein überraschendes Ergebnis war besonders, dass der am häufigsten konsumierte Haushaltszucker die Fettsynthese sogar noch etwas stärker ankurbelte als dieselbe Menge Fruchtzucker. Bisher hatte man vor allem Fruchtzucker mit solchen Veränderungen in Verbindung gebracht.

Die erhöhte Fettproduktion in der Leber ist ein maßgeblicher erster Schritt in der Entstehung von weit verbreiteten Erkrankungen wie Fettleber oder Typ 2-Diabetes. Aus gesundheitlicher Sicht empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, den täglichen Zuckerkonsum auf rund 50 Gramm oder noch besser auf 25 Gramm zu beschränken. „Doch davon sind wir in der Schweiz noch weit entfernt”, betont Philipp Gerber. Zum Vergleich, je nach Quelle liegt die Schätzung der täglichen pro-Kopf-Zuckeraufnahme in Deutschland bei 89 bis 100 Gramm und ist seit den 1970er Jahren stabil.

Gesundheitliche Effekte von Zuckerersatzstoffen bleiben offen

Doch wie lassen sich zuckergesüßte Getränke weiter reduzieren? Dieser Frage ging eine US-Untersuchung nach und betrachete die Wirkmacht von politischen Maßnahmen bei dieser Thematik. Sie schlussfolgern, dass nur ein vielschichtiger politischer Maßnahmenkatalog eine Reduzierung des Konsums von zuckergesüßten Getränken bewirken kann. Keine Einzelmaßnahme werde den Konsum auf ein gesundes Niveau reduzieren, sagen die Forscher. Außerdem geben sie zu bedenken, dass zu beobachten sei, dass die Anzahl und Arten von nicht nahrhaften Süßstoffen (NNS), die in verpackten Getränken und Lebensmitteln verwendet werden, teilweise als Reaktion auf Initiativen zur Zuckerreduzierung zunehmen.

Diese Zuckeralternativen verleihen Produkten Süße und fügen nur wenige oder gar keine Kalorien hinzu. Beispiele sind Aspartam, Saccharin, Rebaudiosid-A (vorwiegend in Stevia enthalten) und Sucralose. Die gesundheitlichen Folgen einer langfristigen Exposition gegenüber NNS seien aktuell jedoch weitestgehend offen, so die Forschenden. Zwar würden sie mit Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert, die bisherigen wissenschaftlichen Belege hierzu seien jedoch nicht schlüssig.

Womöglich könnten sich die gesundheitlichen Wirkungen der einzelnen NNS-Typen unterscheiden, da jede ihre eigene einzigartige chemische Struktur und damit sensorische Eigenschaften und physiologische Wirkungen hat, heißt es. Weitere Studien zur Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen der einzelnen NNS-Typen und ihrer Wechselwirkungen untereinander sowie im Zusammenwirken mit der sonstigen Ernährung seien erforderlich.

 

Literatur:

Hochrein, S. et al. „The glucose transporter GLUT3 controls T helper 17 cell responses through glycolytic-epigenetic reprogramming.” in Cell Metabolism DOI: https://doi.org/10.1016/j.cmet.2022.02.015

Geidl-Flueck, B. et al. „Fructose- and sucrose- but not glucose-sweetened beverages promote hepatic de novo lipogenesis: A randomized controlled trial.” in Journal of Hepatology.March 5, 2021. DOI: 10.1016/j.jhep.2021.02.027

Corte, K. et al. „World trends in sugar-sweetened beverage and dietary sugar intakes in children and adolescents: a systematic review”, in Nutrition Reviews, Volume 79, Issue, March 3, 2021, DOI: https://doi.org/10.1093/nutrit/nuaa070

James Krieger, et al., „Sugar-Sweetened Beverage Reduction Policies: Progress and Promise”, Annual Review of Public Health 2021 42:1, 439-461, https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev-publhealth-090419-103005

 



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