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Risikofaktoren für die Parodontitis

Komplexe Entzündungserkrankung

Risikofaktoren für die Parodontitis

Parodontitis ist eine komplexe, multifaktorielle, entzündliche Erkrankung und weit verbreitet. Eine frühzeitige Diagnose wirkt sich positiv auf den Behandlungserfolg aus.

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Seit 20 Jahren wird dem Zusammenhang zwischen Parodontitis und systemischen Erkrankungen große Aufmerksamkeit geschenkt. Immer noch geht es um die Frage: Inwieweit beeinflussen Allgemeinerkrankungen und systemische Erkrankungen das Parodontitisrisiko? Und was sind die Risikofaktoren einer Parodontitis?

Bei den Risikofaktoren der Parodontitis ist es sinnvoll, zwischen lokalisierten zahnbezogenen Faktoren und patientenbezogenen Faktoren zu unterscheiden, sagt Heike Wilken. Die Dentalhygienikerin und Praxistrainerin arbeitet in der Praxis Dr. Schulte, Praxis für mikroskopische Zahnerhaltung und Parodontologie in Emsdetten, und hat täglich mit PA-Patienten zu tun.

Erbliche Prädisposition als eine Ursache

Zahnbezogenen Faktoren sind unter anderem Sondierungstiefe, Furkationsbefall, Attachmentverlust, Lockerungsgrade sowie Wurzelresorptionen und -frakturen. Der supra- und subgingivale mikrobielle Biofilm ist die primäre Ursache für die Parodontitis. Risikofaktoren können laut Wilken aber auch patientenbezogen sein, beispielsweise erblich bedingt, aus dem materiellen Umfeld stammen (z. B. Erreger, Umweltgifte) oder durch andere systemische Erkrankungen entstanden sein.

Wichtig ist dabei: Risikofaktoren können sich überlagern und wechselseitig beeinflussen. „Der Beginn und die Schwere des Erkrankungsverlaufs können durch verschiedene Wirtsfaktoren beeinflussend werden“, sagt die DH. „Das liegt immer schon bei uns in der Familie“ oder ähnliche Sätze bekommt Wilken oft von Patienten mit parodontalen Problemen in der Praxis zu hören. „,Dann putz doch mal besser‘, hat sich bestimmt die eine oder andere Kollegin schon mal im Stillen gedacht. Aber so einfach ist das nicht“, betont die Expertin. Zahlreiche Studien belegen, dass beim Krankheitsbild Parodontitis die genetische Prädisposition – also die erblich bedingte Neigung des Patienten – eine der Ursachen für die multifaktoriellen Entstehung von Parodontitis ist. Hinzu kommt, dass parodontale Entzündungsreaktionen durch systemische Erkrankungen wie etwa Diabetes mellitus oder Rheuma erheblich beeinflusst werden können.


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Wechselwirkung zwischen Diabetes und Parodontitis

Generell gilt: Zahlreiche systemische Erkrankungen können den Beginn und die Progression einer Parodontitis beeinflussen oder eine negative Auswirkung auf die parodontalen Strukturen haben.

Die klinische Verbindung zwischen atherosklerotischen Veränderungen und Parodontitis konnte bereits nachgewiesen werden. Der systemische Einfluss der parodontalen Entzündungsreaktion und vor allen der Therapie der Parodontitis auf die Gefäßelastizität ist eine bedeutende wissenschaftliche Erkenntnis der vergangenen Jahre. Grundlagenwissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Entstehung von Gefäßwandveränderungen nicht nur durch die bei Parodontitis exprimierten Entzündungsmediatoren, sondern auch durch parodontalpathogene Bakterien wie Porphyromonas gingivalis im Blutstrom erheblich begünstigt werden können.

Diabetes mellitus ist eine systemische Erkrankung, die mit dem Leitsymptom der chronischen Hyperglykämie einhergeht. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass die Prävalenz der Parodontitis bei Patienten mit Diabetes mellitus gegenüber Patienten ohne Diabetes stark erhöht ist. Wilken: „Oftmals zeigen Patienten mit Diabetes mellitus zudem schwerere Verlaufsformen der Parodontitis.“ Beide Erkrankungen zeigen einen Einfluss aufeinander. Während unter anderem die veränderte immunologische Situation bei Diabetikern das Auftreten parodontaler Entzündungsreaktionen begünstigen kann, ist bekannt, dass der systementzündliche Einfluss der Parodontitis etwa die Insulintoleranz erheblich beeinflussen kann.

Adipositas, Osteoporose und Rauchen

Grundsätzlich sei zu beachten, dass Patienten mit einer eingeschränkten Funktion des Immunsystems – etwa aufgrund einer medikamentösen Immunsuppression beispielsweise bei Organtransplantationen oder aufgrund systemischer Erkrankungen oder Infektionen (etwa HIV) – ein erhöhtes Parodontitisrisiko haben. „Bei diesen Patienten kann aufgrund fehlender Abwehrkraft des Immunsystems das physiologische Gleichgewicht zwischen Erreger und Immunabwehr im Parodont nicht mehr aufrecht erhalten werden, und es kommt zur Parodontitis bzw. Progression einer bestehenden Erkrankung“, berichtet Wilken.

Ebenfalls zu den Risikofaktoren gehört die Adipositas. Dabei kommt es zu einer Reduzierung der Blutzufuhr zu den parodontalen Geweben bei den Patienten, die die Entwicklung einer Parodontitis begünstigt. Zahlreiche Studien weisen laut Wilken auch auf Zusammenhänge zwischen rheumatischer Arthritis und Osteoporose und Parodontitis hin.

Einer der besten untersuchten und dokumentierten Riskofaktoren für Parodontitis ist das Rauchen. Je nach Studie haben Raucher ein 1,4- bis 5-fach höheres Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken als Nichtraucher. Dabei scheint die Menge an gerauchten Zigaretten laut der Dentalhygienikerin eine entscheidende Rolle zu spielen. Entsprechend konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass der Attachmentverlust bei starken Rauchern größer ist als bei leichten Rauchern.

Frühe Diagnose entscheidend

Das im Zigarettenrauch enthaltene Nikotin hat eine vasokonstriktive Wirkung und kann sowohl im Speichel als auch in der Sulkusflüssigkeit von Rauchern nachgewiesen werden. Klinisch zeigen Raucher mit Parodontitis eine relativ blasse Gingiva mit reduzierten Entzündungszeichen und weniger Blutungen als Nichtraucher.

Parodontitis ist eine komplexe, multifaktorielle, entzündliche Erkrankung und weit verbreitet. Trotzdem kann der Erkrankung laut Wilken durch eine frühzeitige Diagnose vorgebeugt und sie erfolgreich behandelt werden. „Eine frühe Diagnosestellung gefolgt durch adäquate Behandlung und Stabilisierung durch unterstützende Parodontaltherapie (UPT) verbessert die Lebensqualität der Patienten enorm“, weiß Wilken.

Eine moderne parodontale Diagnostik beinhaltet auch die Beurteilung der Risikofaktoren der Parodontitis, da eine Reihe von systemischen Erkrankungen mit der Erkrankung und der Therapie interagieren. „Eine detaillierte medizinische und zahnmedizinsche Anamnese sollte am Anfang jeder Therapie stehen“, betont die Expertin.

Es werden verschiedenen Arten von Anamnesen unterschieden: Eigenanamnese, Fremdanamnese und Familienanamnese. Bei der Eigenanamnese sind folgende Schwerpunkte wichtig: Allergien (Penicillin, CHX), Stoffwechselerkrankungen (Diabetes), organbezogene Erkrankungsformen (Herz-Kreislauf, Leber, Niere, Lunge, rheumatische Erkrankungen) sowie die aktuelle Einnahme von Medikamenten.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Fremdanamnese dokumentiert die medizinische Geschichte eines Patienten über schon vorangegangene Therapien . Dazu gehören Fragen zu Art und Umfang der täglichen individuellen Mundhygiene genauso wie Fragen nach einer möglichen vorangegangenen Therapie (Wann? Womit ? Bei wem wurde die Therapie durchgeführt? Dauer der subgingivalen Instrumentierung? Art und Frequenz der unterstützenden Parodontitistherapie). Die Familienanamnese beleuchtet den medizinischen Hintergrund in der direkten Verwandtschaft (Großeltern, Eltern, Geschwister, Kinder). In diesem Zusammenhang sollen mögliche genetische Risikofaktoren identifiziert werden.

Parodontitis ist eine komplexe Entzündungserkrankung, die eine interdisziplinäre Erkrankung unumgänglich und wichtig macht, sagt Wilken. Bei der interdisziplinären Zusammenarbeit stehe in erster Linie das optimale Therapieergebnis im Vordergrund. Wilkens Erfahrung zeigt: Durch die Kooperation von zahnärztlicher und allgemeinmedizinischer Praxis entsteht eine Win-Win-Win-Situation: für beide Praxen und den Patienten.



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