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Anästhesist aus Tübingen verurteilt

Tod nach Zahn-OP: Wer hat Schuld?

Bei einem routinemäßigen OP-Eingriff kam es in Tübingen zur Katastrophe.

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Bei einer routinemäßigen Zahn-OP in Tübingen im Herbst 2016 erlitt ein 54-Jähriger einen Kreislaufzusammenbruch und Herzstillstand. Neun Tage später starb der Mann auf der Intensivstation. Nun musste sich der Anästhesist vor dem Tübinger Amtsgericht verantworten. Der heute 73-Jährige wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt.

Das Gericht kam zu dem Schluss, der Anästhesist hätte die Operation abbrechen müssen, da die Sauerstoffsättigung im Blut des Patienten zu gering gewesen sei. Gegen einen Strafbefehl hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt.

Keine Vorerkrankungen bekannt

Der Patient, selbst in der Verwaltung des Tübinger Uni-Klinikums angestellt, hatte große Angst vor der Behandlung beim Zahnarzt. Also wollte er möglichst viel auf einmal erledigen lassen. Operiert wurde er vom damaligen ärztlichen Direktor der Abteilung Prothetik an der Tübinger Zahnklinik. Im Vorfeld habe er sich zwei Mal zu Vorgesprächen mit dem Patienten getroffen, sagte der 68-Jährige als Zeuge aus. Dabei sei abgefragt worden, ob der Patient Kreislauf- oder Herzprobleme hatte. Davon sei dem Patienten aber nichts bekannt gewesen. Die Operation war auf sechs Stunden angesetzt. Sie habe sich dann verlängert, weil abgestorbene Zähne entfernt wurden.

Wie es seit 20 Jahren in der Tübinger Zahnklinik üblich ist, wurde der Patient für die OP nicht vollkommen narkotisiert, sondern mit dem Medikament Propofol sediert. Dies hat nach Ansicht des Ärztlichen Direktors der Abteilung Prothetik viele Vorteile. „Wir waren die ersten, die das Verfahren in Deutschland nutzten“, stellte der Zeuge fest, „meine Abteilung ist in Deutschland dabei führend geworden.“ Das Verfahren sei dort nun „absolute Routine“.

Operation eigentlich Routine

Bis zum Tod des Mannes verliefen die Behandlungen über Jahre hinweg „ausschließlich positiv“, so der ehemalige Ärztliche Direktor. Die meisten Operationen machten er oder seine Oberärzte gemeinsam mit dem nun angeklagten Anästhesisten. Einmal sei die Operation des später verstorbenen 54-Jährigen auf Weisung des Anästhesisten unterbrochen worden, der bei dem Mann auf dem Behandlungsstuhl Kreislaufprobleme feststellte. Doch nach einer Atropin-Gabe habe sich der Zustand stabilisiert. Überlegungen, die OP abzubrechen, habe es nicht gegeben. Als der Patient schließlich kollabierte, hatte der Chef der Protethik-Abteilung die Operation bereits an einen Kollegen übergeben und den Raum verlassen.



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