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Die dentalhygienische Betreuung

So gelingt die Seniorenprophylaxe

Das A und O gerade bei älteren Patienten ist eine ausführliche Anamnese.

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Der demografische Wandel ist keine Zukunftsprognose mehr, in den meisten Praxen ist er bereits angekommen. Ein Großteil der Patienten zählt zur Gruppe der „älteren Patienten“, mit all den individuellen Ausprägungen. Darauf sollte eine Praxis vorbereitet sein, möglichst mit einem stimmigen Konzept für die Seniorenprophylaxe.

Eine Zunahme der parodontalen Erkrankungen bei Patienten im höheren Alter ist bereits festzustellen. Eine weitere Steigerung ist zu erwarten. Die Praxen müssen dies mit frühzeitiger und umfassender Diagnostik sowie einem entsprechend früh ansetzendem Präventionskonzept bekämpfen. Im Fokus stehen dabei Präventionsmaßnahmen, insbesondere die regelmäßig durchzuführende Befunderhebung und die Professionelle Zahnreinigung. Die Intervalle der Betreuung in der Praxis sollten sich dabei am Erkrankungsrisiko der Patienten orientieren.

Dem Patienten die Behandlung individuell vermitteln

Bei älteren Menschen geht es vor allem darum, Neuerkrankungen zu vermeiden sowie die bestehenden Mundgesundheitsprobleme einzudämmen. Gleichzeitig kann gerade durch die Verbesserung von parodontalen Erkrankungen das Risiko möglicher Wechselwirkungen mit systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen oder auch rheumatoide Arthritis vermindert werden.

„Die altersgerechte Prävention funktioniert nur mit System und nur individuell auf den Patienten zugeschnitten“, erklärt Sylvia Fresmann, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygienikerinnen, die sich seit Längerem auch in Fortbildungsvorträgen mit der präventiven Betreuung bei älteren Patienten beschäftigt. Für sie ist klar, dass all die neuen Techniken, weiterentwickelten Materialen und Behandlungsoptionen nicht nur vom Praxisteam, sondern auch dem Patienten individuell und überzeugend vermittelt werden müssen. „Dabei gilt es zu beachten, mit welchen Handicaps und individuellen Fertigkeiten der Patient die häusliche Zahnpflege übernehmen wird.“ Denn nicht alle älteren Patienten sind gleich.

Ältere Patienten lassen sich grob in drei Altersgruppen mit ganz individuellen Problemen einordnen:

  • Patienten im Alter von 60 bis 70 Jahren: Die sogenannten „Best Ager“ sind in der Regel noch sehr aktive, qualitätsorientierte, gut informierte und gesundheitsbewusste Patienten, die gegenüber Prophylaxe- und ästhetischen Maßnahmen aufgeschlossen sind.
  • Patienten im Alter von 70 bis 80 Jahren: Diese Patientengruppe befindet sich in einer Übergangsphase von gesund zu gebrechlich. Es können erste Beschwerden auftreten, teilweise herrscht auch Pflegebedürftigkeit. Die Patienten müssen sich zum Teil mit der Beeinträchtigung der Lebensqualität auseinandersetzen. Gründe dafür können multiple Erkrankungen, krankheitsbedingte Medikamenteneinnahmen sowie persönliche Problemstellungen sein. Sie können auch bereits (Teil-)Prothesenträger sein. Zu beachten ist, dass bei ihnen nicht nur Informationsdefizite hinsichtlich der Mundgesundheit und Motivationsstörungen vorliegen können, auch kognitive und feinmotorische Beeinträchtigungen in der häuslichen Mundhygiene sind möglich.
  • Patienten im Alter ab 80 Jahren: In dieser Patientengruppe ist der Tagesablauf häufig bereits stark eingeschränkt, weitere Einschränkungen infolge schwerwiegender Erkrankungen (beispielsweise Herzerkrankungen, Schlaganfall oder Demenz etc.) sind möglich. Patienten dieser Altersgruppe sind häufig bereits pflegebedürftig und haben mit Mundtrockenheit, Wurzelkaries sowie Parodontitis zu kämpfen. Bei ihnen ist eine selbstständige Mundhygiene gar nicht oder nur noch eingeschränkt möglich. Gesundheits- und Mundhygienemaßnahmen werden oft schrittweise von Angehörigen und Pflegekräften übernommen. Dies führt jedoch dazu, dass diese häufig mit dieser Aufgabe überfordert sind und/oder im alltäglichen Pflegeablauf nicht ausreichend Zeit haben.

Höhere qualitative Anforderungen an das gesamte Praxisteam

Deutlich wird, dass die dentalhygienische Betreuung bei älteren Patienten zum großen Teil einen höheren Aufwand erfordert. Auch die qualitativen Anforderungen an das gesamte Praxisteam steigen dabei. „Dadurch wird auch der Bedarf an gut ausgebildetem, professionellem Fachpersonal steigen“, ist sich Fresmann sicher. Von diesem würden künftig nicht nur allgemeinmedizinische Kenntnisse erwartet, sondern auch Kenntnisse über die Auswirkungen allgemeinmedizinischer Erkrankungen auf die Mundgesundheit sowie über altersbedingte biologische und pathologische Veränderungen der parodontalen Strukturen bei den Patienten.

Das A und O gerade bei älteren Patienten sei eine ausführliche Anamnese, wie Fresmann betont. Die bei dieser Patientengruppe häufig auftretenden Allgemeinerkrankungen sollten im Anamnesebogen zu finden sein. Dazu gehören beispielsweise Herzerkrankungen, Blutgerinnungsstörungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Immundefekte oder Altersdepressionen. All diese Parameter sind nicht nur bei Neupatienten zwingend abzuklären. „Der Anamnesebogen bei älteren Patienten sollte möglichst bei allen Kontrolluntersuchungen und Dentalhygienesitzungen überprüft werden.“

Ausführliche Anamnese immer wieder aktualisieren

Wichtig ist für Fresmann auch die konsequente Nachfrage nach der aktuellen oder veränderten Medikation bei den Patienten. Da kann es auch schon einmal passieren, dass es bei den Patienten selbst zu Fehleinschätzungen kommt. „Wenn etwa Patienten angeben, keine Medikamente zu nehmen, und dann auf Nachfrage zugeben, ,nur ein paar Aspirin‘ die vergangenen Tage eingenommen zu haben“, berichtet Fresmann aus ihren Praxiserfahrungen.

Oftmals ergeben sich bestimmte Symptome oder Komplikationen auch aus der Medikation. So könnten Gingivawucherungen auch eine Folge der Wirkstoffe Cyclosporin (Immunsuppressivum), Nifedepin (Kalziumkanalblocker) oder Phenotoin (Antiepileptikum) sein. Auch die Mundtrockenheit könne beispielsweise infolge der Einnahme von Bisphosphonaten entstehen. Bei Unklarheiten sollte Kontakt mit dem behandelnden Hausarzt des Patienten aufgenommen werden, um eine Medikamentenliste anzufordern oder im Einzelfall eine Abklärung der Behandlung vorzunehmen, zum Beispiel die Notwendigkeit einer antibiotischen Abschirmung oder Neueinstellung der Medikation.

Umfassend dokumentieren

Neben der Anamnese sollte auch eine gründliche Befundaufnahme erfolgen – sowohl für extra- als auch intraorale Faktoren. Dazu gehören u. a. die Beurteilung der Schleimhäute, Zahnsteinerhebung, Erhebung von mechanischen und chemischen Läsionen sowie eine Vitalitätsprüfung der Zähne. Außerdem sollten Parameter zur Beurteilung des Mundgesundheitsverhaltens wie Plaque- und Entzündungsindizes sowie parodontale Parameter umfassend dokumentiert werden.

„Erst wenn die Anamnese und eine ausführliche Diagnostik zusammengeführt werden, können eine individuell abgestimmte sowie risikoorientierte Behandlungsplanung und die Empfehlung optimaler Mundhygienemaßnahmen folgen“, sagt Fresmann.

Nicht vergessen werden darf laut Expertin, auch die umfassende Aufklärung über den weiteren Behandlungsablauf. „Dabei müssen wir uns an den individuellen Möglichkeiten des Patienten orientieren.“ Sollte es nötig sein, können auch Angehörige oder Pflegepersonal in die Beratung mit einbezogen werden.

Die neue Parodontitis Behandlungstrecke für die sog. Vulnerablen Gruppen

Neu ist auch, dass ältere Patienten mit Einschränkungen oder einer Pflegebedürftigkeit einen besonderen Zugang zur Parodontitis-Therapie erhalten. Dazu zählen Patienten, bei denen die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist, die einer Behandlung in Allgemeinnarkose bedürfen, oder bei denen die Kooperationsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist. Der Zugang zu diesen Leistungen ist dabei unbürokratisch niedrigschwellig im Rahmen der Anzeigepflicht bei den Kassen ausgestaltet.

Die Leistungen im Einzelnen:

  1. a) Erhebung von Anamnese, Befund und Diagnose nach § 3 PAR-Richtlinie als Grundlage für die Therapie, sofern dies aufgrund der individuellen Situation der Versicherten oder des Versicherten nicht vollständig möglich ist, zumindest die Messung der Sondierungstiefen an mindestens zwei Stellen pro Zahn (mesioapproximal und distoapproximal) in Millimetern,
  2. b)  bei Sondierungstiefen von ≥ 4 mm Behandlung der Parodontitis mittels antiinfektiöser Therapie nach § 9 PAR-Richtlinie.

Bei Versicherten, die einer Behandlung in Allgemeinnarkose bedürfen, kann in Ausnahmefällen an Zähnen mit einer Sondierungstiefe von ≥ 6 mm anstelle der antiinfektiösen Therapie eine chirurgische Therapie (offenes Vorgehen) erfolgen. Die Entscheidung, ob ein offenes Vorgehen durchgeführt wird, trifft die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt nach gemeinsamer Erörterung mit der oder dem Versicherten oder ihrer oder seiner Bezugsperson. Im Frontzahnbereich besteht aus ästhetischen Gründen eine strenge Indikation zum offenen Vorgehen.

  1. c)  adjuvante systemische Antibiotikatherapie entsprechend § 10 PAR-Richtlinie
    UPT-Planung

    DH Sylvia Fresmann,
    Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen e. V. (DGDH); Beratung von Zahnarztpraxen auf dem Weg zur serviceorientierten Prophylaxepraxis

    Copyright © Privat
  2. d)  drei bis sechs Monate nach Beendigung der antiinfektiösen oder gegebenenfalls der chirurgischen Therapie, für die Dauer von zwei Jahren einmal je Kalenderhalbjahr mit einem Mindestabstand von fünf Monaten:
  • die Messung der Sondierungstiefen an mindestens zwei Stellen pro Zahn (mesioapproximal und distoapproximal) in Millimetern sowie die Erhebung von Sondierungsbluten und
  • die subgingivale Instrumentierung an den betroffenen Zähnen, mit einer Sondierungstiefe von ≥ 4 mm und Sondierungsbluten sowie an allen Stellen mit einer Sondierungstiefe von ≥ 5 mm,
  • sowie die vollständige supragingivale und gingivale Reinigung aller Zähne von anheftenden Biofilmen und Belägen.

Altersgerechte Putztechnik und Hilfsmittel

„Die Patienten oder die Betreuer sollten durch das Praxisteam entsprechend instruiert werden“, sagt Fresmann. Für sie gehören dazu eine altersgerechte Zahnputztechnik sowie altersgerechte Hilfsmittel. Für die Reinigung von Approximalräumen könnte laut der Dentalhygienikerin beispielsweise Sonicare Powerflosser 3000 eine Alternative  Interdentalbürsten sein.

Weitere Empfehlungen von Fresmann sind eine fluoridhaltige Zahnpasta, möglichst wenig Zuckerimpulse pro Tag in der Ernährung, die Verwendung von Zuckeraustauschstoffen sowie eine Reduzierung saurer Speisen und Getränke. Sie empfiehlt älteren Patienten zudem zwei Mal täglich eine Fluoridspülung oder fluoridhaltige Gele bei stark reduziertem Speichelfluss, bei Mundtrockenheit Einsatz von Feuchthaltegelen sowie bei motorischen Schwierigkeiten eine elektrische Zahnbürste.

Ebenfalls nicht vergessen werden sollte die Zungenreinigung, die nicht nur in der Praxis, sondern auch vom Patienten zu Hause durchgeführt werden sollte. Eine Prothesenpflege gehört selbstverständlich auch zu den häuslichen Mundhygienemaßnahmen.



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