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Wie schlechte Mundhygiene COVID-19 begünstigt

Prävention mit Zahnpasta

Wie schlechte Mundhygiene COVID-19 begünstigt

Zähneputzen wird auch mit der Prävention von COVID-19 in Verbindung gebracht.

Copyright © Jeanette Dietl – stock.adobe.com

Eine gesunde Mundhöhle ist immer wichtig. Gerade in Zeiten von COVID-19 ist ihre Funktion als Barriere gegen das Coronavirus noch bedeutender. Gerade deshalb sollte den Patienten die Wichtigkeit der häuslichen Mundhygiene vermittelt werden – insbesondere beim Thema Zähneputzen. Denn schlechte Mundhygiene kann COVID-19 begünstigen.

Die Funktionalität der Barriere „Mundhöhle“ sei enorm wichtig. „Mittlerweile ist bekannt, dass die Mundhöhle, neben der Nasen- oder Augenschleimhaut, die Eintrittspforte für Erreger, vor allem auch für COVID-19 ist“, erklärt Zahnarzt Dr. Christian Rath. Der Experte für zahnmedizinische Prävention und Prophylaxe betont: Ist die natürliche Barriere (Antikörper, Lysozyme, Laktoferrine, Laktoperoxidasen) gestört, sei auch der Abwehrmechanismus nicht maximal potent.

Bestimmte Faktoren, wie etwa Mundtrockenheit, Rauchen oder zu viel Alkohol hätten direkten negativen Einfluss auf die Barriere Mundhöhle und könnten diese schwächen. Nachvollziehbar ist dementsprechend auch, dass eine plaquebeladene Mundhöhle mit parodontalen Entzündungen mit einem erhöhten Risiko für diverse Erkrankungen einhergeht. Die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und erhöhtem Risiko für beispielsweise Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bekannt und in den vergangenen Jahren gut untersucht worden.

Dichtes Saumepithel

Der Grund für diese Zusammenhänge kann laut Rath vereinfacht wie folgt benannt werden: Bei aktiven Parodontitiden ist die Blutschranke offen, es besteht quasi eine große offene Wunde am Zahnfleisch, über die Keime ins Blutsystem eindringen können. Durch diesen Sachverhalt können sich die Entzündungsparameter im Blut verändern und in der Folge zu einer veränderten Immunlage führen. Diese vereinfacht dargestellte Kaskade ist bei gesunden Gingiva-Verhältnissen mit dichtem Saumepithel nicht ohne Weiteres möglich. Zusammenhänge mit der Infektion des Coronaviruses sind bisher nicht untersucht worden. Eine evidenzbasierte Aussage ist dementsprechend nicht seriös zu geben.

Bisher bekannt ist, dass sich das COVID-19-Virus an ACE2-Rezeptoren bindet. Diese Rezeptoren befinden sich beispielsweise vermehrt an den Schleimhäuten der Mundhöhle. Das exakte Bindungsverhalten von COVID-19 ist noch nicht genauer untersucht. Ebenso nicht hinreichend untersucht ist, inwiefern ein pathologisch verändertes Mundmillieu eine COVID-19-Infektion begünstigen kann. Dennoch ist es plausibel, dass eine vorbelastete, vorerkrankte Mundhöhle ein höheres Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus darstellt, da die erste Barriere geschwächt ist. Darauf zielte auch eine kürzlich veröffentlichte Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ab. Deren Präsident, Prof. Dr. Roland Frankenberger, stellte fest, dass „im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie der Zahnmedizin über die Gesunderhaltung der Mundhöhle eine besonders wichtige Rolle zukommt.“

Der DGZMK-Präsident betont in der Stellungnahme zudem: „Ein Patient, der unter einer Parodontitis leidet, hat eine subgingivale Zahnfleischentzündung. Das bedeutet, dass er – häufig unbemerkt – eine offene Wunde von etwa 40 Quadratzentimetern im Mundraum trägt. Es ist doch vollkommen klar, dass dadurch einer Erkrankung wie COVID-19 Tür und Tor geöffnet ist.“

Tenside zerstören die Lipidmembran der Viren

Händewaschen ist neben dem Mund-Nasen-Schutz das Gebot der Stunde. In allen Empfehlungen für das tägliche Verhalten während der Pandemie ist das Waschen der Hände mit Seife als essentieller Bestandteil enthalten. So sollen ggf. vorhandene Keime, Viren und Bakterien abgetötet werden. Die in der Handseife enthaltenen Tenside zerstören die Lipidmembran der Viren und damit die Viren selbst. Dieser Mechanismus ist gut untersucht und evidenzbasiert.

Explizite Studien zu virostatischen Eigenschaften von Zahncremes sind weder in vitro noch in vivo verfügbar. Dennoch versucht man unter Vorbehalt über die Eigenschaften der einzelnen Zahncreme-Bestandteile Aussagen zu etwaigen antiviralen Eigenschaften herzuleiten. Prof. Dr. Martin Addy (Bristol University) beispielsweise hat dazu kürzlich im British Dental Journal (Addy 2020) explizit Stellung bezogen: „Viele, wenn nicht alle Zahncremes, beinhalten Detergenzien, welche antimikrobielle Eigenschaften haben. Einige Zahncremes enthalten dieselben Tenside wie Handseife-Formulierungen, welche gegen COVID-19 empfohlen werden. Die Empfehlung, mindestens zweimal am Tag mit Zahncreme und Zahnbürste die Zähne zu putzen, sollte dementsprechend dringend von den Zahnärzten, den Medien, den Regierungen und ihren Beratern wieder gestärkt werden.“

Prävention der Gingivitis

Selbst wenn also Belege zur virostatischen Eigenschaft von Tensiden in Zahncremes fehlen, empfiehlt sich trotzdem das zwei Mal tägliche Zähneputzen, betont auch Rath. „Die Gesunderhaltung des Saumepithels ist eine gute Prävention für eine Gingivitis“, sagt der Experte. Außerdem vermutet auch Rath, dass die Schäumer oder Tenside der Zahncreme einen gewissen direkten Effekt auf etwaige Viren oder Bakterien haben. „Wie exakt dieser Effekt aussieht, ist noch nicht dezidiert untersucht, aber dass es mutmaßlich einen Effekt gibt, sind sich die aktuellen Autoren sicher.“

Rath weiß, dass die Prophylaxefachkräfte über die Wichtigkeit der Gesunderhaltung des Zahnfleisches und der Zähne und die direkten Zusammenhänge zwischen blutenden Taschen und Risikofaktoren für andere Erkrankungen (wie Diabetes) bereits Bescheid wissen. „Diese sind in den letzten Jahren in der Prophylaxe ein großes Thema und den meisten bekannt.“ Dementsprechend werden die Prophylaxefachkräfte dieses Thema nun auch bei den sogenannten COVID-19-Risikogruppen ansprechen.



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