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Prävention durch chemisches Biofilmmanagement

Zusätzlicher Effekt

Prävention durch chemisches Biofilmmanagement

Laut den Leitlinien eignen sich für den kurzfristigen therapeutischen Einsatz die Chlorhexamed-Spüllösungen mit einer Konzentration von 0,1–0,2 %.

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Nicht erst seit der Corona-Pandemie steigt der Stellenwert des chemischen Biofilmmanagements. Gerade für die Prävention und Therapie von Gingivitis spielen Mundspüllösungen eine wichtige Rolle. DH Christine Gradewald zeigt in team, worauf beim chemischen Biofilmmanagement geachtet werden muss.

Laut der aktuellen Mundgesundheitsstudie ist Parodontitis die häufigste Krankheit in Deutschland. Der Anteil der Menschen mit moderater und schwerer Parodontitis in der Altersgruppe der jüngeren Erwachsenen (35– bis 44-Jährige) liegt bei circa 52 Prozent und in der Altersgruppe der Senioren (65– bis 74– Jährige) bei circa 65 Prozent. Die Zahlen sind zwar rückläufig, aber aufgrund des demografischen Wandels ist mit einem steigenden Behandlungsbedarf zu rechnen.

Zusätzlicher Effekt durch antibakterielle Mundspüllösung

Die wichtigste Strategie in der Prävention der Gingivitis ist die regelmäßige und vollständige Entfernung des dentalen Biofilms. „Die mechanische häusliche Zahnpflege, bestehend aus Zähneputzen und Interdentalraumpflege, wird aus verschiedenen Gründen allerdings nicht adäquat durchgeführt“, erklärt DH Christine Gradewald. Deswegen habe das Spülen mit einer antibakteriellen Mundspüllösungen einen zusätzlichen Effekt, um dem Biofilm den Kampf anzusagen. „Auch gerade während der Corona-Pandemie rücken Mundspüllösungen hinsichtlich des Infektionsschutzes in Praxen, aber auch in der Öffentlichkeit immer mehr in den Fokus.“

Passend zum chemischen Biofilmmanagement gibt es auch entsprechende S3-Leitlinien, die teilweise ganz aktuell veröffentlicht wurden. In den Leitlinien steht beispielsweise, dass chemisches Biofilmmanagement bei Risikogruppen empfohlen wird. Dazu zählen zum Beispiel Pflegebedürftige, die in ihrem Alltag eingeschränkt sind oder die eine zusätzliche Unterstützung benötigen. „Ebenso bei Patienten mit körperlichen und geistigen Einschränkungen, die kein effektives Biofilmmanagement durchführen können, und bei Personen, die sich in einer Bestrahlung oder Chemotherapie befinden, empfiehlt sich chemisches Biofilmmanagement“, sagt Gradewald.

Die Anwendung antimikrobieller Mundspüllösungen habe sich auch gerade bei Menschen, die kein effektives mechanisches Biofilmmanagement in schwer zugänglichen Bereichen durchführen können (z.B. Zahnengstand, kieferorthopädische Apparaturen), als sehr wirksam erwiesen.

Laut den Leitlinien eignen sich für den kurzfristigen therapeutischen Einsatz die Chlorhexamed-Spüllösungen mit einer Konzentration von 0,1–0,2 %. Nach zwei Wochen rät die Dentalhygienikerin dazu, sollte die 0,2 %-Mundspüllösung auf jeden Fall aufgrund der Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Geschmacksstörungen, abgesetzt werden. Für den längerfristigen Gebrauch eignen sich Mundspüllösungen mit ätherischen Ölen, Aminfluorid/Zinnfluorid, Cetylpyridiniumchlorid und Chlorhexamed <0,1%.

Klar ist: Eine Mundspüllösung hat nur einen Nutzen, wenn sie täglich genommen wird. „Ich empfehle gerne die Dreifach-Prophylaxe. Darunter versteht man das Zähneputzen, die Interdentalraumpflege und das abschließende Spülen mit einer antimikrobiellen Mundspüllösung.“ Der Geschmack spiele laut Gradewald auch eine große Rolle, damit es zu einer konsequenten täglichen Anwendung kommt.

Mechanische Reinigung weiterhin wichtig für Biofilmkontrolle

Die Erfahrungen der Expertin zeigen, dass Mundspüllösungen von den Patienten sehr gut akzeptiert werden, da sie einfach und schnell in der Anwendung seien. Für eine gute Wirksamkeit wird allerdings vorausgesetzt, dass die vorgegebene Spülzeit eingehalten wird. „Diese ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich und kann von 30 bis 60 Sekunden betragen“, berichtet Gradewald. Eine Minute könne den Patienten dabei lang vorkommen. Wichtig sei außerdem, den herausnehmbaren Zahnersatz vor dem Spülen zu entnehmen. Das abschließende Spülen nach dem Zähneputzen und der Interdentalraumreinigung führe bei vielen Patienten zusätzlich zu einem angenehmen Frischegefühl.

Kein Ersatz für das Verwenden der Zahnbürste

Das A und O für eine optimale Entfernung des Biofilms sei nach wie vor die mechanische Reinigung. „Diese sollte in keinem Fall durch die bloße Anwendung einer Mundspüllösung ersetzt werden“, betont die erfahrene Dentalhygienikerin. „Das sollte von uns Fachkräften gegenüber dem Patienten immer wieder kommuniziert werden.“ Um zu verdeutlichen, dass Mundspülung alleine nicht reicht, fragt sie die Patienten: „Stellen sie sich vor, auf dem Boden befindet sich Schmutz. Können Sie diesen beseitigen, indem Sie einfach nur Wasser drauf schütten?“

Natürlich kann kurzzeitig unter gewissen Umständen – etwa bei einer eingeschränkten Mundhygiene – eine Mundspülung mit Chlorhexidin mit einer Konzentration von 0,2 % die Zahnbürste ersetzen. Sie gelte als einzig bekannte „chemische Zahnbürste“.

Mundspüllösungen sind auch nicht für alle Patienten geeignet. Kontraindikationen sind vor allem allergische Reaktionen auf bestimmte Inhaltsstoffe. Deswegen sei es enorm wichtig, vor jeder Behandlung die Allgemeinanamnese durchzugehen. Des Weiteren sollten bei Kindern, Schwangeren oder alkoholabhängigen Patienten generell keine alkoholhaltigen Mundspüllösungen empfohlen werden.

Gerade während der COVID-19-Pandemie ist das Spülen/Gurgeln mit einer antibakteriellen Mundspüllösung in der Öffentlichkeit immer mehr in den Fokus gerückt. „Aus unserem Praxisalltag ist das Spülen bzw. Gurgeln vor jeder Behandlung zur Infektionsprophylaxe nicht mehr wegzudenken“, sagt Gradewald. In zahlreichen in vitro-Studien wurde die Wirksamkeit von verschiedenen Wirkstoffen getestet. Das Spektrum reiche dabei von Chlorhexidin (CHX) über Cetylpyridiniumchlorid (CPC), CHX-CPC-Kombination bis zu grünem Tee.

Weiter Studien für die Wirkung außerhalb des Labors nötig

DH Christine Gradewald

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Das Ergebnis war, dass einige Wirkstoffe das Virus in vitro inaktivieren konnten. Gerade der Wirkstoff CPC verringere nachweislich sowohl die SARS-CoV-2-Infektiosität in vitro als auch die RNA-Last. In einer in vitro-Studie der Ruhr-Universität Bochum wurde die Wirkstoffkombination von Benzalkoniumchlorid und Dequaliniumchlorid untersucht. Hierbei konnte auch die Inaktivierung der SARS-CoV-2-Viren für einen gewissen Zeitraum erzielt werden.

Weitere klinische Studien bezüglich der Wirksamkeit der Wirkstoffe seien allerdings zwingend notwendig. „Wichtig ist, dass man mit zurückgelegtem Kopf intensiv gurgelt, da sich im unteren Rachenbereich die höchste Viruslast befindet.“ Gradewald kann aber keine generelle Entwarnung geben: Alleine mit dem prophylaktischem Spülen könne kein sicherer Schutz vor der Ansteckung mit Corona erzielt werden. „Mundspüllösungen können die mechanische Reinigung nicht ersetzen.“

 



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